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NEUGESTALTUNG IN DER MITTE DES REICHES 69
Ereignissen entstandene Braunschweiger Reimchronik. Doch auch die auf die älteren Er- furter Berichte zurückgehenden jüngeren Darstellungen Siegfrieds von Ballhausen und der Reinhardsbrunner Chronik, die hohen Aussagewert vor allem für die seit der Wende des 13./14. Jahrhunderts zunehmende, die Ereignisse überformende Traditionsbildung besit- zen, sind darauf zu befragen, inwieweit sich in ihnen ältere Überlieferungen widerspiegeln.
Was den Verlauf der Auseinandersetzungen anbetrifft, so überliefern die Peters- chronik und die Braunschweiger Reimchronik übereinstimmend zwei getrennte mili- tärische Aktionen: Sie berichten zum einen von einem Heereszug Herzog Albrechts von Braunschweig und Sophies nach Thüringen, der – so die Reimchronik – vor Er- furt kampflos endete und der – so die Peterschronik – zur Einsetzung von Vögten in Thüringen durch Herzog Albrecht führte. Zum anderen teilen sie den Angriff Her- zog Albrechts 1263 auf das Misneland mit, an dem Sophie und ihr Sohn nicht betei- ligt waren, und der mit der vernichtenden Niederlage Albrechts bei Wettin endete. Ei- nen kausalen Zusammenhang dieser Aktion mit den Auseinandersetzungen zwischen Sophie von Brabant bzw. ihrem Sohn Heinrich und Markgraf Heinrich dem Erlauch- ten stellte nur die Braunschweiger Reimchronik her. War der Kriegszug von 1263 aus- schließlich ein Unternehmen Herzog Albrechts und seiner norddeutschen und askani- schen Verbündeten, so schrieben sowohl die Peterschronik wie die Reimchronik dem Braunschweiger Herzog auch bei dem ersten – nach der Reimchronik unter Mitwir- kung Sophies durchgeführten – Kriegszug gegen Thüringen die führende Rolle zu und räumten Sophie und ihrem Sohn lediglich den auslösenden, aber schwächeren Part ein.
Gegenüber diesen Berichten und in gezielter Umdeutung stilisierte Siegfried von Ballhausen zu Beginn des 14. Jahrhunderts den Kriegszug nach Thüringen zu einem grande bellum Sophies im Jahre 1259 gegen Markgraf Heinrich von Meißen mit großem Heer und ihrem zwölfjährigen Sohn als rechtmäßigem Erben Thüringens im Gefolge. Ähnlich formte auch der Reinhardsbrunner Chronist von 1340/49 die Angaben sei- ner Vorlagen entsprechend seinen Darstellungsintentionen um und ließ den Krieg, be- ginnend mit dem Rechtsbruch Heinrichs des Erlauchten gegenüber Sophie 1253, neun Jahre lang andauern – womit er ebenso wie Siegfried von Ballhausen entscheidend zu der Vorstellung eines hessisch-meißnischen Erbfolgekriegs beitrug. Konkret berichtete er jedoch nur zum Jahre 1258 in Anschluss an die Peterschronik über den Zug Herzog Albrechts nach Thüringen sowie mit eigenständigen Nachrichten – die er als bislang einziger brachte – über die Unterstützung Sophies durch die Eisenacher Bürger 1258 in ihrem Kampf um den Rückerhalt der Wartburg, Eisenachs und Thüringens und über den Beistand, den sie ihr auch nach dem Verlust der Stadt Eisenach 1261 leisteten. Für diese Nachrichten lässt sich z. T. ein historischer Kern wahrscheinlich machen.
Zum Gegenstand des Konflikts ist zunächst der deutliche Befund zu konstatieren, dass die älteste Quelle, der Bericht der Predigerannalen, keinerlei Hinweise auf Span- nungen zwischen Sophie und Markgraf Heinrich enthält. Vielmehr verweist er eher auf ein, zumindest anfängliches Einvernehmen, obgleich der Autor – nicht aber in seiner Darstellung Sophie! – die Ansprüche Heinrichs auf Thüringen für unrechtmäßig hielt. Von Auseinandersetzungen ist zum ersten Mal 25 Jahre nach den Ereignissen in der Pe-


































































































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