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50 MATTHIAS WERNER
bei thüringischen Angelegenheiten mitwirken ließ216, ihn – vergleichbar mit seinen Maß- nahmen zur Verwaltung der Hassia – 1255 gemeinsam mit Graf Hermann I. von Hen- neberg zum Landrichter per totam Thuringiam bestellte217 und ihm 1256 als Thuringie lantgra- vius et Saxonie comes palatinus eine Mitbeteiligung an der Regierung Thüringens übertrug218 – durchweg Maßnahmen, die Heinrich einen Rückzug aus Hessen nahe legten und die ihn umgekehrt für Sophie als Bündnispartner in Hessen an Bedeutung verlieren ließen. Insofern dürfte sich das welfische Bündnis trotz Sophies ostentativer Bekundung eigen- ständiger Herrschaftsausübung in der Hassia seit dem Juli 1254 weniger gegen Mark- graf Heinrich und dessen Söhne gerichtet haben219, vielmehr sollte es vor allem wohl als Rückhalt gegenüber dem Mainzer Erzbischof dienen. Dieser Rückhalt gewann durch die gleichsam doppelte verwandtschaftliche Einbeziehung König Wilhelms sowohl von bra- bantischer wie seit 1252 auch von welfischer Seite her zusätzliches Gewicht.
IV. Herrschaftsstabilisierung in Hessen – Kämpfe in Thüringen (1256–1261)
Mit dem Ende der Vormundschaftsregierung Heinrichs des Erlauchten im Juni 1256220 trat Sophie von Brabant – nachdem ihr nach dem März 1247/48 bzw. nach dem März 1250 die Herrschaft über das Landgericht Maden zunächst durch den raschen erzbischöf- lichen Zugriff und dann durch die Vormundschaft Markgraf Heinrichs verwehrt gewe- sen war – erstmals unmittelbar ihr Erbe in der terra Hassie an, über die sie als den nörd- lichen Kernraum der Herrschaft Hessen mit der Grafschaft Maden nun selbstständig verfügen konnte. Sie tat dies zu einem Zeitpunkt, zu dem – kennzeichnend für den unter- schiedlichen Verlauf der ludowingischen Nachfolge in Hessen und Thüringen – Heinrich der Erlauchte 1255/56 die Landgrafschaft Thüringen bereits als voll integrierten Teil sei- nes wettinischen Herrschaftskomplexes seinem Sohn Albrecht und seinem Halbbruder Hermann I. von Henneberg zur Verwaltung übertragen hatte. Doch auch jetzt noch blieb Sophies Stellung ungesichert, solange die Frage der Mainzer Kirchenlehen ungeklärt war.
216 Hierzu wie zum Folgenden lutz (wie Anm. 9), S. 321 ff.; doBenecker, Regesta, Bd. 3, S. 334, Nr. 2117.
217 doBenecker, Regesta, Bd. 3, S. 366, Nr. 2315.
218 Ebd., S. 384, Nr. 2430.
219 So mit ilGen/VoGel, s. 325, gegen weGele (wie Anm. 9), S. 29, und die ihm weithin folgende For-
schung, vgl. etwa zillmann (wie Anm. 50), S. 277, und lutz (wie Anm. 9), S. 256.
220 Wie bereits oben S. 46 mit Anm. 201 vermerkt, lässt sich der genaue Zeitpunkt für das Ende der Vor- mundschaft nicht bestimmen. Mehrere Indizien deuten auf einen allmählichen Rückzug Heinrichs des Erlauchten seit der Jahresmitte 1254 und auf ein Nachlassen seiner Einwirkung auf Nordhessen bereits vor der Mündigkeit Heinrichs des Kindes im Juni 1256 hin. Andererseits verweisen ilGen/VoGel, S. 325 und S. 327, auf die Präsenz Heinrichs von Gleißberg noch 1257 in Kassel und lassen die Vormund- schaftsregierung Heinrichs des Erlauchten bis in das Jahr 1257 andauern. M. E. spricht viel für ein all- mähliches Auslaufen seit Mitte 1254 – gleichzeitig mit der Vertiefung des Bündnisses Sophies mit Al- brecht von Braunschweig. Andererseits setzten die aus der Vormundschaftsregierung an Heinrich den Erlauchten fließenden Einkünfte einen festen Zeitpunkt voraus, zu dem die terra nostra, quam marchioni Misniensi [...] conmisimus, nobis reddita fuerit, vgl. Anm. 181. Dieser Zeitpunkt dürfte am wahrscheinlichs-
ten doch das Erreichen der Mündigkeit Heinrichs des Kindes am 24.6.1256 gewesen sein.


































































































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