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NEUGESTALTUNG IN DER MITTE DES REICHES 49
mals 10 oder 11 Jahre alt210 – legt es nahe, dass es sich von Seiten Sophies um eine unmittelbare Reaktion auf den Mitte Mai 1254 geschlossenen Udestedter Vertrag han- delte, in dem die zentrale Frage der Mainzer Lehen in Hessen offen geblieben war und der nach dem Juni 1256 Konflikte mit dem Mainzer Erzbischof erwarten ließ211. Sicher aber zeigt die welfische Heirat, dass Sophie ihre bisherige enge Bindung an Markgraf Heinrich lockern, wenn nicht sogar lösen wollte212. So dürfte es wohl kaum ein Zufall sein, dass ihre ersten eigenständigen urkundlichen Verfügungen für die Hassia vom Juli 1254 zeitlich in das Vor- oder Umfeld des welfischen Heiratsbündnisses fielen und in deutlichem Kontrast zu Sophies bisheriger Praxis unter der vormundschaftlichen Re- gierung Markgraf Heinrichs standen213.
Die Ursachen für diesen folgenreichen Schritt Sophies liegen im Dunkeln. Für ein Zerwürfnis mit Markgraf Heinrich gibt es keinerlei Anhaltspunkte214. Eher war zu fra- gen, ob Heinrich für Sophie nach seinem Friedensschluss in Udestedt noch der geeig- nete Bündnispartner für eine Auseinandersetzung mit dem Mainzer Erzbischof sein würde. Unübersehbar war auch, dass die Interessensschwerpunkte Markgraf Heinrichs sich in den Jahren 1253/54 zunehmend in seine östlichen Herrschaftsgebiete verlager- ten. Hier hatte er im Pleißenland und gegenüber den Vögten von Weida wichtige Auf- gaben der Herrschaftserweiterung und -sicherung wahrzunehmen, wurde über seinen Schwager König Ottokar von Böhmen in die Reichspolitik mit einbezogen und muss- te territorialpolitische Konflikte mit dem Magdeburger Erzbischof ausfechten215. Dieser Schwerpunktverlagerung entsprach es, dass er seit 1253 seinen ältesten Sohn Albrecht
210 Zu ihrem Geburtsjahr 1243 vgl. Diemar (wie Anm. 16), S. 12.
211 Ähnlich auch leist (wie Anm. 66), S. 8. Die erstmals nachdrücklicher von weGele (wie Anm. 9), S.
26 ff. vertretene Vorstellung, dass Heinrich der Erlauchte mit dem Udestedter Vertrag seine Eisena- cher Vereinbarungen mit Sophie von 1250 gebrochen und dass ihm die Aussöhnung mit dem Mainzer Erzbischof „die Freundschaft der Herzogin Sophie von Brabant“ gekostet habe, wurde trotz der Ein- wände von ilGen/VoGel, S. 321 f., von einem Großteil der Forschung übernommen, vgl. etwa noch demandt, Geschichte (wie Anm. 23), S. 185, lutz (wie Anm. 9), S. 255 f., und jüngst Jörg roGGe, Die Wettiner. Aufstieg einer Dynastie im Mittelalter, Ostfildern 2005, S. 66. Doch stellt sich die Fra- ge, ob Heinrich der Erlauchte als Vormund Heinrichs des Kindes für Hessen berechtigt war, derart weitreichende Vereinbarungen zu treffen, wie ihm dies als Thüringer Landgraf für Thüringen mög- lich war.
212 Wohl noch immer begab sie sich mit diesem Heiratsbündnis in das Lager der Gegner Heinrichs des Erlauchten, auch wenn dieser, nachdem er durch seine sehr späte Anerkennung Wilhelms von Hol- land und seine Gegnerschaft gegen die Herzöge von Braunschweig und Sachsen nach dem Zusam- menschluss der norddeutschen Fürsten mit König Wilhelm und Sophie etwas in die Isolation gera- ten war, durch die Verlobung seines jüngeren Sohnes Dietrich mit der Tochter Markgraf Johanns I. von Brandenburg im Frühjahr 1253 sich gleichfalls dem askanisch-welfischen Verwandtschaftskreis anzunähern suchte, doBenecker, Regesta, Bd. 3, S. 335, Nr. 2123; vgl. auch kälBle im vorliegen- den Band.
213 Oben S. 46 mit Anm. 199.
214 So bereits ilGen/VoGel, S. 321.
215 Vgl. lutz (wie Anm. 9), S. 285–295, roGGe, Wettiner (wie Anm. 211) und kälBle im vorliegenden
Band.