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142 ULRICH RITZERFELD
Forschung stets betont wurde, steht eine Untersuchung seiner Genese noch aus19. Ei- nigkeit herrschte diesem Langsdorfer Vertrag zufolge grundsätzlich über das Lehns- verhältnis20, nur vage bestimmt wurden der Umfang des Gerichts und der Status der Güter (omnes decimas comitie ipsius, sive infeudate sint aliis, sive non).
Auch die weiteren lehnrechtlichen Bestimmungen in dieser Urkunde lassen vor- sichtige Abwägungen erkennen, die nicht in allen Punkten zum Abschluss geführt werden konnten. Vom Klärungsbedarf in zahlreichen Fällen zeugen Formulierungen über die Lehnsqualität von Melsungen21, quod creditur esse feudum, oder Burg und Stadt Thamsbrück nebst zugehörigen Gerichten, que etiam creduntur esse feuda descendentia ab ec- clesia moguntina, licet adhuc non sit determinatum finaliter super illis22. Schließlich wurde eine zwanzigköpfige Lehnskommission mit namentlich aufgeführten Herren gebildet, die binnen Jahresfrist fideliter et veraciter über strittige Lehen befinden sollte23. Von der kon- kreten Tätigkeit der Kommission hören wir in der Folge nichts mehr, sie bestand ver- mutlich in Zeugenbefragungen. Die Einsetzung eines solchen Gremiums im Vorgriff ist ungewöhnlich, gängig sind im hessischen Raum seit 1260 hingegen Schiedskom- missionen, die allerdings in der Regel erst im Nachgang Entscheidungen herbeiführen sollten24. Vor allem im pfalzgräflichen Herrschaftsbereich gibt es aus der Mitte des 13. Jahrhunderts zahlreiche Beispiele für die Tätigkeit von Schiedsgerichten25.
19 Zur unmittelbaren Vorgeschichte des Landgerichts Maden und seiner ‚Reaktivierung‘ unter Heinrich Raspe s. Matthias werner, Reichsfürst zwischen Mainz und Meißen. Heinrich Raspe als Landgraf von Thüringen und Herr von Hessen (1227–1247), in: ders. (Hrsg.), Heinrich Raspe – Landgraf von Thü- ringen und römischer König (1227–1247) (Jenaer Beiträge zur Geschichte 3), Frankfurt/M. u. a. 2003, S. 125–271, hier S. 143 mit Anm. 68 und S. 149 mit Anm. 99. Zuletzt aus der Perspektive des Weserraumes Friedhelm Biermann, Der Weserraum im hohen und späten Mittelalter. Adelsherrschaft zwischen welfi- scher Hausmacht und geistlichen Territorien (Veröff. des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen 49), Bielefeld 2007, S. 122 f., 470 mit Anm. 88.
20 Zu Recht schrieb jedoch Walter Martini 1971 in seiner Dissertation über den Mainzer Lehnshof zu die- sem Vorgang: „Es handelt sich um eine Neubelehnung, die den bisherigen Rechtsstreit über die Nach- folge im Lande Hessen beendete. Nach 1263 konnte die Rechtsfrage nicht mehr aufgerollt werden“, martini, Lehnshof (wie Anm. 18), S. 183. Ähnlich auch Peter moraw, Hessen und Thüringen in der deutschen und europäischen Geschichte – Von den Anfängen bis zur Reformation, in: Hessen und Thüringen. Von den Anfängen bis zur Reformation. Eine Ausstellung des Landes Hessen, Wiesba- den 1992, S. 17–23, hier S. 22: „Im Frieden von Langsdorf bei Gießen (1263) erkannte der Erzbischof den Status quo an, allerdings bei fortdauernder Lehnsabhängigkeit Hessens von Mainz“. Zuletzt mit Blick auf die Mainzer Erzbischofsburgen Grathoff (wie Anm. 11), S. 178 f. Zur landgräflichen Seite jetzt Bernd fehrenBach, Die Burgenpolitik der Landgrafen von Hessen im Spätmittelalter (1263–1413) (Schrr. 42), Marburg 2012, S. 27, 29 f., 148 f., 175, 184.
21 Dieter wolf, Melsungen. Eine Kleinstadt im Spätmittelalter. Topographie, Verfassung, Wirtschafts- und Sozialstruktur, 3 Bde., Butzbach 2003, hier: Bd. 1, S. 181–187.
22 LU 2.
23 Vgl. hierzu die Beiträge von Hans H. kaminsky und Alexander krey im vorliegenden Band.
24 Grotefend/rosenfeld, S. 24 f., Nr. 70 (1262 Juni 2): Landgraf und Graf von Ziegenhain bestellen je
zwei Anhänger zu Schiedsrichtern zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen ihren Freunden.
25 Streit zwischen Mainz und dem Pfalzgrafen 1265: Böhmer/will, XXXVI (Erzbischof Werner), S. 362 f., Nr. 112, und Regesten der Pfalzgrafen am Rhein (1214–1508), Bd. 1: 1214–1400, bearb. von Adolf


































































































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