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Forma compositionis 143
Besonders aufschlussreich hinsichtlich des Lehnswesens ist der Umgang mit den Städten bzw. Burgen Grünberg und Frankenberg, die in drei der vier Langsdorfer Ver- träge Erwähnung finden. Durch die spezielle Form des aufgetragenen Lehens (feudum oblatum)26 wurde für diese ein zusätzlicher, neuer Tatbestand geschaffen, denn in die- sen beiden Fällen wurde landgräfliches Allod der Mainzer Kirche übertragen (contuli- mus et tradidimus liberaliter et libenter ecclesie maguntine in ius et proprietatem perpetuam) und von den Landgrafen wieder als Lehen empfangen (et ipse dominus noster archiepiscopus nobis ea- dem reconcessit in feudo)27. Für den Fall des erbenlosen Todes des Hauses Brabant muss- ten die Ritter, Burgmannen, Bürger und Leute dieser Städte und Burgen eidlich gelo- ben, die Güter der Mainzer Kirche auszuliefern. Nimmt man die Formulierung ex tunc in der einzigen am 11. September 1263 ausgefertigten Urkunde wörtlich, so waren die- se offensichtlich gleichfalls in Langsdorf zugegen. Auffällig ist zudem, dass diese Ur- kunde als einzige über eine Invocatio (In nomine domini amen) verfügt und im Vergleich zu den anderen Urkunden ein strengeres Formular aufweist, das an eine päpstliche Lit- tera erinnert. Fast ist man geneigt zu vermuten, dass dieser Umstand auf einen feier- lichen Akt, vielleicht die formale Belehnung, zurückzuführen ist. Die entsprechenden Vereinbarungen zu Grünberg und Frankenberg in zwei Urkunden vom Vortag hätten demzufolge den Charakter von Vorverhandlungen (iuxta formam compositionis), die hier- mit zum Abschluss gebracht wurden.
Fragt man nach den Besonderheiten der in Langsdorf getroffenen Lehnsvereinbarun- gen, so zeigen die Verträge zum einen den hohen Differenzierungsgrad der Auseinander- setzung auf unterschiedlichen Ebenen an, zum anderen werden durch die Hierarchisierung praktische Einbindungsmechanismen greifbar. Parallel wird man beiden Parteien auch dila- torische Absichten unterstellen dürfen, Zeitgewinn schien beiden Seiten ratsam.
Die Rolle der Bürgen und der Lehnskommission
Als Bürgen und Lehnsexperten werden in den Langsdorfer Verträgen insgesamt 50 hessische Lehnsträger genannt28. Ihre aktive, nachdrücklich durch eidliche Verpflich- tung bekräftigte Einbindung29 in den Ausgleich zwischen Mainz und den Landgrafen
koch (Badische Historische Kommission), Innsbruck 1894, S. 41, Nr. 724, S. 42, Nr. 733, 734 und 736,
S. 43, Nr. 746, S. 44, Nr. 759.
26 Vgl. hierzu aus rechtshistorischer Sicht jetzt Thomas Brückner, Lehnsauftragung (Studien zur europä-
ischen Rechtsgeschichte 258), Frankfurt/M. 2011, S. 113–185, 236–353.
27 LU 4. Wolfgang hess, Hessische Städtegründungen der Landgrafen von Thüringen (Beiträge zur Hes-
sischen Geschichte 4), Marburg, Witzenhausen 1966, S. 44.
28 Drei von ihnen, Konrad von Elben, Friedrich von Treffurt und Johann Gulden, wurden sowohl als Bür-
ge als auch als Mitglied der Lehnskommission benannt. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf die Zahl von über 30 Zeugen, die im Vergleich zwischen Werner von Eppstein und den Grafen von Rie- neck aus dem Jahr 1260 genannt werden (s. unten Anm. 36).
29 In LU 2 wird bezüglich der Lehnskommission ausdrücklich auf den Eid hingewiesen, der von Sophie, ihrem Sohn und einigen bereits abgelegt wurde, von anderen Männern nun aber noch zu leisten sei: