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144 ULRICH RITZERFELD
ist im Rahmen des Lehnrechts als ein Herrschaft strukturierender, wenigstens aber die- se konsolidierender Akt zu werten. Die stattliche Aufbietung edler Herren ist also we- niger als „bedrohliche Macht“ zu verstehen, der sich der Mainzer Erzbischof beugen musste, wie in der Darstellung von Ilgen/Vogel zu lesen30. Vielmehr stand aus lehns- herrlicher Sicht die hierarchisierende Funktion im Vordergrund, oder, um eine jünge- re Formulierung von Karl-Heinz Spieß zu verwenden, „eine fortschreitende Formali- sierung von Anerkennungsrelationen im Rahmen lehnsrechtlicher Verpflichtungen“31. Rechte und Pflichten wurden dabei sehr sorgsam gegeneinander abgewogen, die Be- deutung von Sicherheitsmechanismen wird erkennbar. Einerseits stärkte die Anwe- senheit hochrangiger Bürgen (fideiussores) wie etwa die Graf Gottfrieds von Ziegen- hain, die landgräfliche Verhandlungsposition gegenüber dem Mainzer Erzbischof32. Die Bürgen sollten in dem Fall, dass sie ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, so- wohl von Sophie von Brabant als auch von Werner von Eppstein als Feinde (inimici) betrachtet werden und der Exkommunikation verfallen, bis dem Erzbischof Genü- ge geschieht. Andererseits aber darf nicht übersehen werden, dass zumindest formal sämtlichen Verbündeten beider Parteien der Besitzstand an Lehen in den Verträgen garantiert wurde, die Lehnsleute also in praktischer Weise von den Verträgen profi- tierten33 und zudem ihren Mitherrschaftsanspruch prominent dokumentierten34. Im Zweifelsfalle konnten sie auch Ersatzansprüche erheben, die durch die Übernahme von Bürgschaften entstehen konnten, bzw. auf diese verzichten, wie das Beispiel Ger- hards von Wildenburg zeigt, der 1265 gegenüber Sophie und ihren Sohn Heinrich auf jeglichen Ersatzanspruch, der durch Übernahme von Bürgschaften entstanden war, verzichtete und hierfür 650 Mark Kölner Pfennige erhielt35.
Wie aber ist nun dagegen die Einsetzung der Lehnskommission im vorliegen- den Fall zu deuten? Zunächst ist festzuhalten, dass die genannten Niederadligen aus- schließlich dem landgräflichen Lehnshof zuzurechnen sind, drei von ihnen werden übrigens auch als Bürgen für die Schuld benannt. Überließ die Mainzer Seite die Be- stimmung der Lehnsqualität ausschließlich hessischen Lehnsträgern oder gab es in den Mainzer Ausfertigungen eine entsprechende Anzahl von Experten? Die überliefer- ten Urkunden lassen dies nicht erkennen, so dass man hierüber nur spekulieren kann.
prestitimus corporaliter sacramentum, sicut et nonnulli predictorum virorum etiam prestiterunt, alii autem sunt adhuc si-
militer prestituri.
30 ilGen/VoGel, S. 346.
31 sPiess, Autorität (wie Anm. 16), S. 75.
32 Grotefend/rosenfeld, S. 24 f., Nr. 70: Bündnis zwischen Landgraf Heinrich I. von Hessen und Graf
Gottfried V. gegen Waldeck und Mainz. Vgl. hierzu ilGen/VoGel, S. 343; Martin röhlinG, Die Ge-
schichte der Grafen von Nidda und der Grafen von Ziegenhain (Niddaer Gbll. 9), 2005, S. 36–37.
33 So zumindest möchte ich die Passage consummavimus, quod omnes auxiliatores nostri utcumque esse debent in omni iure, commodo et honore personarum et rerum, sicut tunc fuerunt, quando nobiscum utrobique intraverunt guerram
in LU 3 deuten.
34 Auf die Erwartung einer stärkeren Mitregierung des Adels durch das Eintreten für die Witwe Sophie
hat bereits Peter moraw, Das späte Mittelalter, in: Walter heinemeyer (Hrsg.), Das Werden Hessens
(VHKH 50), Marburg 1986, S. 195–223, hier S. 202, ausdrücklich hingewiesen.
35 Grotefend/rosenfeld, S. 37 f., Nr. 99.