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134 STEFFEN KRIEB
mäßigen männlichen Erben verstorbenen Vasallen seiner Kirche ebendieser gehören sollen, von der er diese Güter zu Lehen hatte, oder den Blutsverwandten des Verstor- benen. Das Urteil der Fürsten lautete: Die Güter stehen der Kirche zu, es sei denn, der Besitzer des Lehens würde mit nachträglicher Einwilligung des Abtes (per pactionem de consensu abbatis) in das Lehen nachfolgen45. Auch im Nordwesten des Reiches, wo die weibliche Erbfolge bei Lehen im 13. Jahrhundert bereits üblich war, wurde also am Grundsatz des Heimfalls beim Tod eines Lehnsmanns ohne männliche Erben festge- halten, zugleich aber auf die Möglichkeit der Belehnung von erbberechtigten Seiten- verwandten verwiesen. In diesem Sinne urteilten die Fürsten noch auf einem Hoftag König Albrechts I. am 20. Februar 1299 in Bingen auf eine Anfrage des Kölner Erz- bischofs46.
Das in den Fürstenurteilen am königlichen Hofgericht skizzierte Modell der grund- sätzlichen Beibehaltung der lehnrechtlichen Norm mit dem Hinweis auf eine mögli- che Ausnahme durch Zustimmung des Lehensherrn führt uns zurück zum Langsdor- fer Ausgleich. Mit dem Vergleich verzichtete Erzbischof Werner von Eppstein nicht grundsätzlich auf das Recht, Güter kinderlos bzw. ohne Hinterlassung männlicher Er- ben verstorbener Lehnsleute als heimgefallen zu betrachten. Die jüngere Forschung zum Lehnrecht hat gezeigt, dass es sich dabei im 13. Jahrhundert noch nicht um ein geschlossenes Rechtsgebäude handelte, sondern die Möglichkeiten einer juristischen Formulierung personaler Beziehungen erst entwickelt und erprobt wurden. Zunächst gab der Konsens der Fürsten, der seinen Ausdruck in den Urteilen des Hofgerichts fand, den Lehnsherren zwar grundsätzlich die Möglichkeit, Lehensgüter als heimge- fallen zu betrachten und einzuziehen. In den wenigsten Fällen geschah dies aber, um die entsprechenden Herrschaftsrechte der direkten Verfügung des Lehnsherrn zu un- terstellen, wie auch die Diskussion um den Leihezwang zeigt, der zwar rechtlich nicht existierte, als Handlungserwartung seitens des Adels in der politischen Realität aber präsent war47. Der im 13. Jahrhundert nicht hinterfragte lehnrechtliche Grundsatz, dass bei fehlenden Erbberechtigten ein Lehen eingezogen werden konnte, bildete zu- nächst nur eine Handlungsmöglichkeit, die in der Praxis der politischen Auseinander- setzung durchgesetzt werden musste. Doch auch wenn eine Einbehaltung der Lehen nicht möglich war, konnte die lehnrechtliche Norm als Faustpfand bei der Aushand- lung der konkreten Macht- und Rangverhältnisse zwischen Lehnsherrn und Lehns-
45 Ebd., Nr. 495.
46 Vgl. martini, Lehnshof (wie Anm. 29), S. 170. Sein Urteil, „das Reichsrecht kennt grundsätzlich keine
weibliche Erbfolge“, erscheint angesichts des Quellenbefunds allerdings überzogen. Die weibliche Erb- folge wurde eben nicht kategorisch ausgeschlossen, sondern nur zur möglichen Ausnahme erklärt. Vgl. die Fürstensentenz von 1299 in: MGH Const. IV, 1, hrsg. von Jacob schwalm, Hannover, Leipzig 1906, S. 47, Nr. 59: quod nulla filia vel mulier possit in bonis feodalibus succedere, nisi de plenaria voluntate domini feodi et consensu.
47 Zum Leihezwang vgl. Werner Goez, Der Leihezwang. Eine Untersuchung zur Geschichte des deut- schen Lehenrechtes, Tübingen 1962; Karl-Friedrich krieGer, Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter (ca. 1200–1437), Aalen 1979; Hartmut lePPin, Untersuchungen zum Leihzwang, in: ZRG GA 105 (1988), S. 239–252; Patzold, Lehnswesen (wie Anm. 2), S. 96–102.


































































































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