Page 153 - Langsdorfer Verträge Inhalt
P. 153
GEWOHNHEITEN DER KONFLIKTBEILEGUNG IM 13. JAHRHUNDERT 133
zog Albrecht zog sich und seine Truppen aus Thüringen zurück, stürzte sich 1261 in einen Feldzug zur Unterstützung des in Gefangenschaft geratenen dänischen Königs Erich und fiel über zwei Jahre als Bundesgenosse Sophies und Heinrichs aus. In die- ser bedrängten Situation kam es zu dem Ausgleich mit dem Mainzer Erzbischof Wer- ner von Eppstein42.
Welchen Wert hatte der in der Bannbulle Erzbischof Werners II. von Eppstein von 1261 gegen Herzogin Sophie und ihren Sohn Heinrich konkret formulierte Anspruch auf den Heimfall der ludowingischen Lehen in Hessen? Das Thema des Heimfalls von Lehen beim söhnelosen Tod eines Lehensmannes war aus der Perspektive von Lehns- herrn seit der weitgehenden Anerkennung der Erblichkeit von Lehen im 12. Jahrhun- dert von besonderer Brisanz, da es eine der ganz wenigen Möglichkeiten zur Rückge- winnung der vollen Verfügungsgewalt über ausgegebene Güter darstellte. Bereits die ersten Anläufe zur Durchsetzung eines solchen lehnsherrlichen Anspruchs auf Ebe- ne des Königtum zeigten aber deutlich, dass dies nur schwer möglich war. So versuch- te Kaiser Heinrich VI., die Landgrafschaft Thüringen als erledigtes Reichslehen einzu- ziehen, nachdem Landgraf Ludwig der Fromme auf der Rückkehr vom Kreuzzug im Jahr 1190 gestorben war, ohne erbberechtigte Söhne zu hinterlassen. Heinrich schei- terte jedoch mit seinem Plan, auf diesem Weg in Mitteldeutschland ein weiträumiges Reichsland zu etablieren, am Widerstand der Reichsfürsten, die ihre eigenen Interessen durch das Vorgehen bedroht sahen. Der Staufer unternahm fünf Jahre später einen er- neuten Versuch, ein Reichslehen als heimgefallen einzuziehen, als er nach dem Tod des Markgrafen Albrecht dessen Bruder Dietrich nicht mit der Mark Meißen belehnte. Der Wettiner erhielt das Lehen mit Unterstützung seines Schwiegervaters Landgraf Her- mann von Thüringen drei Jahre später aus den Händen Philipps von Schwaben, der im sich abzeichnenden Thronstreit Bundesgenossen benötigte43.
Auch im unmittelbaren Vorfeld der mainzisch-hessischen Auseinandersetzungen war das Heimfallrecht beim kinderlosen Tod eines Lehnsmanns ein Thema, das auf Reichsebene verhandelt wurde. So beanspruchte das Bistum Lüttich nach dem Tod der Gräfin Johanna die Grafschaft Hennegau als heimgefallenes Lehen. Auf einem Hof- tag Heinrich Raspes am 13. August 1246 in Frankfurt erging ein Fürstenurteil, das die- se Norm bestätigte. Bereits im Februar 1246 hatten sich die Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier sowie der Elekt von Metz in Briefen an die Allgemeinheit und den Papst gewandt, um die allgemeine Rechtsgewohnheit des Heimfalls kirchlicher Le- hen beim kinderlosen Tod eines Vasallen zu bekunden44. Leicht modifiziert wurde der Grundsatz durch ein Fürstenurteil auf einem Hoftag Wilhelms von Holland am 3. Fe- bruar 1251 in Middelburg bekräftigt. Abt Nikolaus von Middelburg forderte von den anwesenden Fürsten ein allgemeines Urteil darüber, ob Lehnsgüter eines ohne recht-
42 heiniG, Kirche (wie Anm. 35), S. 369 f.; ilGen/VoGel, S. 335–341.
43 Vgl. Patze, Entstehung (wie Anm. 13), S. 249 ff.
44 Ekkehart rotter (Bearb.), Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis
1451, Bd. 2: Die Zeit von Philipp von Schwaben bis Richard von Cornwall (1198–1272), Köln u. a 1994, S. 402 f., Nr. 480.