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sichtigen. Häufig begegnen die Auflassung von Eigengut und die anschließende Be- lehnung des Vorbesitzers als Bestandteil von Friedensverträgen, da somit die Herstel- lung – oder wie im vorliegenden Fall – Intensivierung einer Lehensbindung ermöglicht wurde. Diese verpflichtete beide Seiten zu einem künftigen Verhalten, das dem jeweils anderen zumindest nicht schadete („negative Treue“)33. Insbesondere für geistliche Fürsten bot dieses Verfahren eine wichtige Möglichkeit zur Schaffung bzw. Intensivie- rung personaler Beziehungen, da für diese Gruppe die Nutzung des Instruments der Heiratsbündnisse deutlich eingeschränkt war34.
Die am untersuchten Beispiel erkennbare Nutzung von Lehnsbeziehungen als Ins- trument der Konfliktbeilegung und des konsensualen Interessenausgleichs ist zwar ein wichtiger Aspekt des Phänomens, doch kann die Bedeutung dieser Form personaler Bindungen nicht auf diese Dimension reduziert werden, da die Mainzer Erzbischöfe im Verlauf des Konflikts immer wieder explizit auf lehnsrechtliche Ordnungsvorstel- lungen rekurrierten. Es ist daher nötig, den Blick auf den Ausgangspunkt und eigentli- chen Kern des Konflikts zu richten. Der Tod Heinrich Raspes rief außer den erbrecht- liche Ansprüche erhebenden Dynasten auch den Mainzer Erzbischof Siegfried II. von Eppstein auf den Plan, der durch einen Heimfall der Lehen die mainzischen Herr- schaftsrechte in Thüringen und Hessen erheblich hätte ausweiten können. Da Erzbi- schof Siegfried nach dem überraschenden Tod Heinrich Raspes als einer der exponier- testen Gegner des Staufers Friedrich zunächst die Wahl eines neuen Königs betreiben musste, hatte er bis zu seinem Tod im Jahr 1249 keine Gelegenheit, solche Ansprü- che geltend zu machen. Sein als friedfertig geltender Nachfolger Christian von Bolan- den, der nach nur zwei Jahren sein Bischofsamt niederlegte, unternahm ebenfalls keine Versuche in diese Richtung. Erst der 1251 gewählte Erzbischof Gerhard aus dem Ge- schlecht der Wildgrafen von Dhaun forderte die von der Mainzer Kirche an Heinrich Raspe ausgegebenen Lehen in Thüringen und Hessen als heimgefallen zurück. Auf ei- nem von Papst Innozenz IV. angeordneten Konzil zur Beratung von Maßnahmen ge- gen die Tatarengefahr verhängte der Mainzer Erzbischof am 16. März 1252 den Bann gegen den Markgrafen Heinrich von Meißen und die Herzogin Sophie von Brabant wegen der Wegnahme durch den Tod König Heinrich Raspes erledigter Mainzer Le-
33 Dass es sich bei den drei dominanten Typen personaler Beziehungen zwischen politischen Akteuren des Hochmittelalters jeweils um „negative Konzepte“ handelte, die vor allen Dingen einen Schutz vor Schä- digung beinhalteten, betont Klaus van eickels, Verwandtschaft, Freundschaft und Vasallität: Der Wan- del von Konzepten personaler Bindung im 12. Jahrhundert, in: dendorfer/deutinGer (Hrsg.), Lehns- wesen (wie Anm. 2), S. 401–412.
34 Die Nutzung der friedens- und bündnisstiftenden bzw. -bekräftigenden Funktion von Eheschließungen war den geistlichen Fürsten dennoch nicht völlig verwehrt. Abhängig von der Position eines Bischofs innerhalb des eigenen Familienverbands war auch die Nutzung personeller Ressourcen für politische Zwecke möglich. So wurde das durch die Erhebung Heinrichs I. in den Reichsfürstenstand markier- te Bündnis zwischen dem Erzstift und Hessen durch die Heirat Gerhards V. von Eppstein, eines Nef- fen des Erzbischofs, mit Elisabeth, Tochter Heinrichs I. von Hessen und Witwe des welfischen Herzogs Wilhelm I. von Braunschweig-Wolfenbüttel, bekräftigt. Vgl. Ernst VoGt, Mainz und Hessen im späten Mittelalter, Teil 2, in: MOGV 21 (1914), S. 12–53, hier S. 13 f.


































































































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