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GEWOHNHEITEN DER KONFLIKTBEILEGUNG IM 13. JAHRHUNDERT 127
zwischen den ludowingischen Landgrafen und den Mainzer Erzbischöfen in der ers- ten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein bereits bekanntes und geübtes Vorgehen war.
An den Bestimmungen der Langsdorfer compositio fällt auf, dass man über den Um- fang der Mainzer Lehen in Hessen auf beiden Seiten keine ausreichenden Kenntnisse besaß bzw. keinen Konsens darüber herstellen konnte. Es blieben trotz des Langsdor- fer Vergleichs im Hinblick auf die Mainzer Lehen also viele Fragen offen. Dies gilt auch für die wenigen in Thüringen gelegenen Lehen wie die Gerichtsbezirke von Ber- gern und Aspe sowie Burg und Stadt Thamsbrück, von denen man zwar glaubte, dass es sich um von Mainz herrührende Lehen handele, doch wurde darüber bei Langsdorf nicht endgültig entschieden20. Vor allem auf Seiten Sophies und Heinrichs scheint die Kenntnis über die Lehen recht gering gewesen zu sein. In der Urkunde heißt es sinn- gemäß: Weil wir aber nicht wahrhaftig wissen können, welche weiteren Lehen uns rechtmäßig vom Erzbischof und der Mainzer Kirche zustehen, sind wir übereinge- kommen, gemeinsam mit 20 vertrauenswürdigen Männern, die namentlich aufgezählt werden, innerhalb eines Jahres getreu und wahrhaftig nachzuforschen, um welche Le- hen es sich dabei handelt, wo sie liegen und welcher Art sie sind. Sophie und Heinrich verpflichten sich zudem, darüber einen Eid zu leisten und sowohl die dabei zur Kennt- nis gelangten Lehen als auch die bereits verliehenen Güter in einer Urkunde aufzufüh- ren, damit man davon künftig sichere Kenntnis (certa notitia) habe21.
Bei den 20 vertrauenswürdigen Männern, aus denen sich die Kommission zum Aufspüren der Lehen zusammensetzte, handelt es sich ausschließlich um hessische Adlige aus dem Gefolge Sophies und Heinrichs. Dies zeigt, dass es sich nicht um eine Schiedskommission handeln kann, wie sie in zahlreichen anderen Friedensverträgen seit der Mitte des 13. Jahrhunderts üblich war, da diese in aller Regel paritätisch be- setzt war22. Das Wissen der genannten 20 Adligen sollte vielmehr dafür genutzt wer- den, ein vollständiges Verzeichnis der Mainzer Lehen in Hessen zu erstellen, um künf- tige Konflikte über Lage, Art und Umfang dieser Güter zu vermeiden. Leider erfahren wir über die weitere Tätigkeit der Kommission nichts. Idealerweise hätte das Ergeb- nis der Nachforschungen den Kern eines Lehensbuches oder -registers bilden können, wie sie bereits vereinzelt aus dem späten 12. Jahrhundert und in größerer Zahl aus dem späteren Mittelalter überliefert sind23.
20 LU 2: licet adhuc non sit determinatum finaliter super illis.
21 LU2: Quia vero veraciter scire nequivimus ea vice de aliis feudis nostris de iure nobis competentibus ab eodem domino
nostro archiepiscopo et ab ecclesia moguntina taliter est conventum, quod nos ipsimet et viginti fide digni viri videlicet [es folgen die Namen, S.K.] debemus infra presentis anni spatium indagare fideliter et veraciter, que vel ubi sive qualia sint ipsa feuda, et super hoc fideliter faciendo prestitimus corporaliter sacramentum, sicut et nonnulli predictorum virorum etiam prestiterunt; alii autem sunt adhuc similiter prestituri, ut res absque omni prorsus dubio veraciter declaretur et ex tunc etiam nominatim denominabimus ista feuda, que nobis prefatus dominus noster archiepiscopus similiter absque dif- ficultate concessit.
22 Zur Zusammensetzung von Schiedsgremien vgl. Garnier, S. 244–253.
23 Zu den neuen aufkommenden Typen von Dokumenten im Lehnswesen seit dem 13. Jahrhundert vgl.
Karl-Heinz sPiess, Das Lehnswesen in Deutschland im hohen und späten Mittelalter, 2. Aufl., Stuttgart 2009, S. 23 f.; Patzold, Lehnswesen (wie Anm. 2), S. 102–107.