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In diesen Kontext fügen sich auch die Langsdorfer Verträge ein, weshalb im fol- genden der Versuch unternommen wird, diese in die sich wandelnden Muster der Konfliktbeilegung in der Mitte des 13. Jahrhunderts einzuordnen. Gefragt wird da- her sowohl nach Elementen der hergebrachten Gewohnheiten der Konfliktbeilegung als auch nach solchen Aspekten, die als Neuerungen des 13. Jahrhunderts gelten. Die Texte der überlieferten Urkunden werden daher auf Hinweise zum Zustandekommen der Vereinbarungen durch vorangegangene Verhandlungen und die dabei beteiligten Personen, das Verhältnis der gegenseitig erbrachten Leistungen bzw. des Verzichts auf einmal beanspruchte Rechte und die Vorkehrungen zur Vermeidung oder geordneten Beilegung künftiger Konflikte untersucht. Besonderes Augenmerk wird auf die lehns- rechtlichen Aspekte des Ausgleichs gelegt, weil diese als eigentliche Konfliktursache zu betrachten sind und das 13. Jahrhundert als Zeitalter der Ausdifferenzierung des Le- henswesens gelten kann2.
Das zu untersuchende Korpus von Urkunden besteht aus dem eigentlichen Frie- densvertrag (LU 3)3, einem Revers Sophies von Brabant und Landgraf Heinrichs über die vom Mainzer Erzbischof erhaltenen Lehen (LU 2), einer Urkunde über die Stel- lung von 30 Bürgen für eine Zahlungsverpflichtung von 2000 Mark (LU 1) und einer Urkunde über die Auflassung der Städte Frankenberg und Grünberg sowie deren un- mittelbar folgende Verlehnung durch den Mainzer Erzbischof Werner von Eppstein (LU 4), die am 11. September 1263, also einen Tag später als die ersten drei ausgestellt wurde. Im Zentrum der Untersuchung stehen der eigentliche Friedensvertrag sowie der Lehensrevers und die Auflassungsurkunde, da diese die entscheidenden Informa- tionen über die formalen und materiellen Aspekte des Friedensschlusses enthalten4.
Der eigentliche Friedensvertrag (LU 3) wird im Text selbst ganz den Gewohnhei- ten der Zeit entsprechend als compositio bezeichnet, in der Auflassungsurkunde als for- ma compositionis. Leider geben die Urkunden keinerlei Aufschluss über die unmittelbare Vorgeschichte des Vertragsabschlusses, insbesondere über die vorausgehenden Ver- handlungen, die man angesichts der differenzierten Bestimmungen in den vier Ur- kunden als notwendig ansehen kann. Insbesondere die Frage nach am Friedensschluss beteiligten Dritten, namentlich Vermittlern oder Schiedsleuten, lässt sich daher nicht beantworten, zumal sowohl die zeitgenössische als auch die spätere Geschichtsschrei- bung darüber nichts berichten. Zudem fehlen in allen vier Urkunden Zeugenlisten, die
Zur neueren Forschungsdiskussion über das Lehenswesen vgl. Steffen Patzold, Das Lehnswesen, München 2012, zu den Innovationen des 13. Jahrhunderts insbes. S. 102–119. Der Impuls der radika- len Kritik und Neuinterpretation der Überlieferung durch Susan reynolds, Fiefs and Vassals. The Me- dieval Evidence Reinterpreted, Oxford 1994, wurde für Deutschland durch Jürgen dendorfer, Roman deutinGer (Hrsg.), Das Lehnswesen im Hochmittelalter. Forschungskonstrukte – Quellenbefunde – Deutungsrelevanz (Mittelalter-Forschungen 34), Ostfildern 2010, fruchtbar gemacht. Die darin vorge- legten Befunde zum 11./12. Jahrhundert zeigen, dass das 13. Jahrhundert im Reich als entscheidende formative Phase der Ausbildung des Lehnrechts gelten kann.
Hierbei handelt es sich um das umfangreichste und wichtigste Dokument, dessen Bestimmungen auf die anderen Urkunden verweisen, die sich ihrerseits auf die compositio bzw. die forma compositionis beziehen. Vgl. hierzu die Beiträge von Hans H. kaminsky und Ulrich ritzerfeld im vorliegenden Band.
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