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NEUGESTALTUNG IN DER MITTE DES REICHES 117
„geographisch toten Winkel des Reichsgeschehens“ darstellte490. Dies richtet den Blick auf die Rolle des Königtums bzw. des in unserem Raum weitestgehend nicht präsenten Königtums, fiel doch das Geschehen um die Nachfolge der Ludowinger zeitlich weit- gehend mit dem sog. Interregnum zusammen. Für die gesamte Zeit sind an persönli- chen Kontakten des Königs in den thüringisch-sächsischen Raum lediglich die Besuche Wilhelms von Holland im Mai 1252 auf der Burg Waldeck und im Dezember 1252 in Stadtlengsfeld (südwestlich Bad Salzungen) und in Eisenach bezeugt491. Darüber hinaus wird außer einigen wenigen urkundlichen Verfügungen zugunsten geistlicher Institutio- nen492 und vereinzelten engen persönlichen Verbindungen wie zu Graf Hermann I. von Henneberg493 das Wirken des Königtums vor allem bei der Belehnung Heinrichs des Erlauchten mit der Landgrafschaft Sachsen im März 1252 und bei der Privilegierung der Reichsstadt Mühlhausen im Februar 1254 durch König Wilhelm von Holland fass- bar494. Ansonsten aber lassen die Quellen – in auffälligem Kontrast zu der bemerkens- werten Rühmung der Person und der königlichen Tugenden Wilhelms von Holland durch die zeitgenössischen Erfurter Autoren – keinerlei Einwirkung und keinerlei In- anspruchnahme des Königtums erkennen, und fanden die relevanten Entscheidungen, die Konflikte und die Konfliktregelungen offenbar ohne jeden Bezug zum Reich und zum König statt495. Doch bedarf es auch hierzu noch eingehender näherer Forschung.
Es bleibt abschließend die Frage nach der Stellung, die den Langsdorfer Verträgen von 1263 innerhalb des Gesamtgeschehens zukam. Für die Entwicklung in Thüringen beschränkte sich ihre Bedeutung auf die erzbischöfliche Anerkennung von Sophies und Heinrichs ererbten thüringischen Kirchenlehen, mit der Erzbischof Gerhard I. die An- sprüche Sophies und Heinrichs auf diesen Teil ihres ludowingischen Erbes eigens bestä- tigte. Wesentlich größeres Gewicht hatten die Verträge für die Entwicklung in Hessen.
490 moraw, 1292 (wie Anm. 301), S. 44.
491 Dieter häGermann, Jaap G. kruisheer (Bearb.), Die Urkunden Heinrich Raspes und Wilhelms von Hol-
land 1246-1256 (MGH Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser 18), Hannover 1989, ND 2006, S. 250, Nr. 197; S. 304 f., Nr. 253 f.; doBenecker, Regesta, Bd. 3, S. 326, Nr. 2068 f. Diente Wilhelms Aufent- halt am 9.5.1252 auf Burg Waldeck auf der Rückkehr von Braunschweig über Gandersheim nach Maast- richt einem Treffen mit seinem engen Vertrauten Graf Adolf I. von Waldeck, den er 1255 zu seinem Reichs- hofrichter bestellte, so machte er am 11.12. in Stadtlengsfeld und am 13.12.1252 in Eisenach auf dem Weg von Mainz nach Goslar und Braunschweig Station, wobei es möglicherweise in Eisenach zu einer Zusam- menkunft mit seiner angeheirateten Tante Sophie von Brabant kam, vgl. dazu oben Anm. 203.
492 So etwa am 27.3.1252 für das Kloster Ilfeld, am 11.7.1252 für das Hospital in Sangerhausen und am 15.7.1252 für den Deutschen Orden in Mühlhausen, häGermann/kruisheer (wie Anm. 491), S. 237 f., Nr. 183; S. 284, Nr. 230; S. 289, Nr. 236; doBenecker, Regesta, Bd. 3, S. 318, Nr. 2012; S. 322, Nr. 2040, 2046.
493 Heinrichs des Erlauchten Halbbruder Graf Hermann I. von Henneberg heiratete im Juli 1249 König Wil- helms jüngste Schwester Margarete, ist 1249 bis 1253 mehrfach im engsten Umkreis Wilhelms bezeugt und erhielt von diesem wertvolle Lehen (Münzenberg, Uffenheim); vgl. zu ihm oben S. 18 mit Anm. 48, sowie noch immer Wilhelm füsslein, Hermann I. Graf von Henneberg (1224-1290) und der Aufschwung der hennebergischen Politik. Von der Emancipation der Henneberger vom Burggrafenamte bis zu ihrer Teil- nahme am Gegenkönigtum, Teil 3, in: Zs.ThürG 19 NF 11 (1899), S. 295-342, hier S. 295-301.
494 Vgl. oben S. 45; häGermann/kruisheer (wie Anm. 491), S. 353 ff., Nr. 303; doBenecker, Regesta, Bd. 3, S. 349, Nr. 2214.
495 weidemann (wie Anm. 141), S. 404: „So vollzog sich ohne jegliche Mitwirkung des Reiches der Anfang der späteren Gestaltung des mittleren Deutschlands“.