Page 133 - Langsdorfer Verträge Inhalt
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NEUGESTALTUNG IN DER MITTE DES REICHES 113
den südlichen Herrschaftsteil um Marburg mit ein und erhielt hierdurch übergräfli- chen Charakter.
Nach der faktischen Durchsetzung ihrer Herrschaft in der Hassia seit 1256 war die in Langsdorf erreichte rechtliche Anerkennung durch den Erzbischof der wichtigste Schritt bei dem nunmehr einsetzenden Aufstieg zur führenden politischen und territo- rialen Kraft auch der weiteren Region. Zugleich aber unterstrichen Sophie und Hein- rich mit der erzbischöflichen Bestätigung ihrer Mainzer Lehen in Thüringen, welche Bedeutung ihre thüringischen Erbgüter weiter für sie besaßen.
Sollten sie geplant haben, deren Herausgabe durch einen erneuten Kriegszug ge- gen die Wettiner, insbesondere gegen Landgraf Albrecht von Thüringen, zu erzwin- gen, so scheiterte dieses Vorhaben schon vor seinem Beginn durch die Niederlage und Gefangennahme ihres wichtigsten Verbündeten Herzog Albrechts von Braunschweig bei einem Raub- und Verwüstungszug Ende Oktober 1263 bei Wettin. Dieses unver- hoffte Ereignis schwächte ihre Verhandlungsposition gegenüber der wettinischen Sei- te entscheidend. Zwar erkannten Heinrich der Erlauchte und seine Söhne in einem Vergleich vom Spätherbst 1264 die Berechtigung von umfangreicheren Erbansprü- chen Sophies und Heinrichs in Thüringen offenbar grundsätzlich an, doch verweiger- ten sie es, ihnen auch nur eine einzige dieser Besitzungen, die sich wohl zum Groß- teil im westlichen Thüringen befanden, zurück zu geben. Vielmehr nötigten sie sehr wahrscheinlich Sophie und Heinrich zum Verzicht auf die ihnen 1243 zugewiesenen thüringischen Städte, Burgen und Gerichte, an der Spitze die Wartburg und Eisenach. Als Abfindung hierfür überließen sie ihnen jene Städte und Burgen an der Werra, ins- besondere Eschwege, Allendorf und Witzenhausen, deren Auslieferung sie eben von Herzog Albrecht erzwungen hatten. Damit erhielten Sophie und Heinrich statt eini- ger hochrangiger Orte ludowingischer Herrschaft in Thüringen eine schmale Randzo- ne im äußersten Westen der Landgrafschaft, die es ihnen jedoch erlaubte, ihre Herr- schaft Hessen im Nordosten bis an die Werra auszudehnen.
Mit diesem Ausgleich vom Spätherbst 1264, dessen zeitliche Nähe zu den Langsdor- fer Verträgen rein zufälligen Charakter besitzt, war auch der seit 1256 bestehende Konflikt mit den Wettinern beigelegt. Gestärkt durch die Legitimierung seiner Posi- tion in Hessen und um den hohen Preis der Abfindung mit einer eher bescheidenen Gebietserweiterung im Nordosten nicht mehr in thüringische Angelegenheiten verwi- ckelt, verfügte Heinrich, der seit 1264/65 in voller Selbstständigkeit regierte, nunmehr über eine Position in Hessen, die der seiner ludowingischen Vorgänger Landgraf Kon- rads und seines Oheims Landgraf Hermann gleichkam. Doch hatte er damit nicht nur – über eineinhalb Jahrzehnte nach Heinrich Raspes Tod – das volle Erbe der Ludo- winger angetreten. Vielmehr nutzte er diese Machtbasis sofort, um durch eine gezielte Bündnispolitik und expansiven territorialen Ausgriff über die bisherigen Grenzen hi- naus die Herrschaft Hessen zu einem Machtfaktor in dieser mittleren Region des Rei- ches auszubauen, dessen politisch-territoriale Bedeutung und der dynastische fürst- liche Rang seines Inhabers einander zunehmend entsprachen. Der rangerhöhenden Titulierung als lantgravius Thuringie, die sich Heinrich in der Tradition seiner ludowin-