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108 MATTHIAS WERNER
le, Lahn und oberer Weser einsetzte, und der im Juni 1266 mit dem geregelten Neben- einander der wettinischen Landgrafschaft Thüringen und der eigenständigen braban- tisch-ludowingischen Herrschaft Hessen endete. Als Schlusspunkt bietet sich dieses Datum an, da im Juni 1266 die beiden zuvor noch zerstrittenen Nachfolger im ludo- wingischen Erbe, Landgraf Albrecht von Thüringen und Landgraf Heinrich, Herr von Hessen, erstmals als amici begegnen.
Das Ergebnis dieses Prozesses waren weitreichende Gewichtsverschiebungen in der Mitte des Reiches. Die Landgrafschaft Thüringen, bislang das Kernland des in seinen westlichsten Punkten fast bis an den Rhein reichenden ludowingischen Herrschafts- und Einflussbereichs, wurde mit ihrem Übergang an die Wettiner in einer Umorien- tierung nach Osten zum westlichen Teil des großen wettinischen Herrschaftskomple- xes. Dieser, der seine Schwerpunkte in den östlich der Saale gelegenen Markengebieten besaß, rückte durch den Erwerb Thüringens „gleichsam vom östlichen Rand des Rei- ches in dessen Mitte“ (Stefan Tebruck)487. Hessen hingegen, das bis dahin als Konglo- merat zweier räumlich unverbundener Herrschaftsgebiete um Kassel und Marburg ein westliches Nebenland der Ludowinger gewesen war, ging aus den Entwicklungen der Jahre 1247/66 als gefestigtes, räumlich erweitertes eigenständiges Herrschaftsgebil- de hervor. Es befand es sich bereits zu diesem Zeitpunkt unter seiner neuen braban- tisch-ludowingischen fürstlichen Dynastie auf dem Wege zu seinem künftigen Status als Reichsfürstentum und stieg nach seiner rechtsförmlichen Erhebung zur Landgraf- schaft Hessen 1292 bis zum Ende des Mittelalters zum beherrschenden Machtfaktor in dem Raum zwischen oberer Weser, Werra, oberer Eder und Lahn und der Wetter- au auf, der expansiv bis an die untere Lahn, den Mittelrhein und nach Süden bis über den Main ausgriff.
Doch es waren nicht diese weiten, langfristigen Perspektiven, die die Ereignisse der Jahre 1247 bis 1266 prägten, sondern die Auseinandersetzungen um das ludowingi- sche Erbe. Diese Auseinandersetzungen gewannen ihr spezifisches Gewicht dadurch, dass sie zum einen der erblichen Nachfolge in dem damals größten und einflussreichs- ten weltlichen Herrschaftskomplex in der Mitte des Reiches galten, und dass zum an- deren führende Kräfte außerhalb der unterschiedlich erbberechtigen Familienmitglie- der wie der Erzbischof von Mainz und der Herzog von Braunschweig machtvoll in das Geschehen eingriffen. Vor allem ihre Beteiligung, dazu der weitestgehende, in dieser Form noch kaum je zuvor erlebte Ausfall des Königtums, aber auch unvorhersehbare Ereignisse wie der frühe Tod Herzog Heinrichs II. von Brabant im Februar 1248 oder durch Fehden verursachte Gefangensetzungen wie die Erzbischof Gerhards I. von Mainz 1256/57 und Herzog Albrechts von Braunschweig 1263/64 nahmen als wichti- ge Faktoren Einfluss auf die Entscheidungen. Dies führte dazu, dass es trotz der kla- ren Erbverfügungen, die noch vor dem Tod Heinrich Raspes getroffen worden waren, eines fast zwanzigjährigen, z. T. konfliktreichen Prozesses bedurfte, bis diese Regelun- gen – mit erheblichen Modifizierungen – realisiert wurden und, von allen Beteiligten
487 teBruck, integration (wie Anm. 39), S. 388.


































































































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