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106 MATTHIAS WERNER
der Stadt und der Grafschaft Gießen von dem Pfalzgrafen von Tübingen durch Land- graf Heinrich bereits zu diesem Zeitpunkt gelungen war oder erst später – jedenfalls vor Ende September 1265 – erfolgte, bedarf noch der Klärung479. Mit Sicherheit aber steht sie für eine veränderte Politik der territorialen Expansion, wie sie Landgraf Heinrich im November 1265 im Norden seines Herrschaftsgebietes mit dem Kauf von Burg Wei- delsburg und Burg und Stadt Naumburg fortsetzte480 und wie sie vor dem Ausgleich mit dem Mainzer Erzbischof und mit den Wettinern kaum möglich gewesen wäre.
Trotz einer Phase von „Friedensjahren“ (Konrad Weidemann)481, die im hessisch- thüringisch-braunschweigischen Raum auf die Verträge vom Spätherbst 1264 folg- ten, wirkten die vorangegangenen kriegerischen Auseinandersetzungen mit ihren tief- greifenden territorialen und politischen Folgen zunächst noch unmittelbar nach482. So kennzeichnet es die Situation, dass sich Landgraf Albrecht von Thüringen im Mai 1265 durch sein Schutzbündnis mit Graf Gottfried V. von Ziegenhain gegen einen et- waigen Angriff Herzog Albrechts von Braunschweig und Heinrichs von Hessen ab- sicherte483, und auch die neuen Bündnisse vom März, April und Mai 1265 im Norden und Süden der Herrschaft Hessen verweisen darauf, dass sich die Verhältnisse noch keineswegs stabilisiert hatten.
Dennoch scheint es im Laufe des Jahres 1265 und Frühjahres 1266 zunehmend zu einer Entspannung unter den führenden mitteldeutschen Herrschaftsträgern gekom- men zu sein. Im Winter 1265/66 nahmen Herzog Albrecht von Braunschweig und der thüringische Landgraf Albrecht gemeinsam an einem Kreuzzug nach Preußen teil484.
Vorstoß abschirmen sollte, verwies vor allem Gerlich (wie Anm. 114), S. 325 f., und wertete den Land- frieden als „Instrument, mit dem Werner von Eppstein der Machtausweitung der Landgrafen von Hes- sen zu steuern versuchte“; vgl. auch schwind, Landvogtei, S. 96 ff. Beide gingen davon aus, dass der Landfrieden auch bereits eine Reaktion auf den Erwerb von Stadt und Grafschaft Gießen durch Land- graf Heinrich gewesen sei. Dies würde der auffälligen Grenzziehung von der Salzböde über Schiffen- berg nach Laubach gut entsprechen, doch lässt sich der Erwerb Gießens nicht sicher vor Mai 1265 da- tieren, vgl. folgende Anm.
479 Grotefend/rosenfeld, s. 31, nr. 84; Landgrafen-Regesten online Nr. 99 (Stand: 12.09.2011). Danach erfolgte der Übergang Gießens von Pfalzgraf Ulrich von Tübingen an Landgraf Heinrich zwischen dem 15.8.1264 und dem 29.9.1265; er lässt sich nicht genauer datieren, doch spricht einige Wahrscheinlichkeit dafür, dass er „nicht sehr lange“ vor dem 29.9.1265 stattfand; vgl. auch Weidemann (wie Anm. 141), S. 407.
480 Grotefend/rosenfeld, S. 39, Nr. 103; Weidemann (wie Anm. 141), S. 407 f. Dieser Erwerb scheiter- te jedoch schon kurze Zeit später, da der Kauf rückgängig gemacht wurde und Naumburg und die Wei- delburg bereits im April 1266 in Besitz des Mainzer Erzbischofs gelangten. Doch bereits der Plan des Erwerbs ist bezeichnend.
481 Weidemann (wie Anm. 141), S. 404.
482 Besonders deutlich zeigt dies etwa der Sühnevertrag, den Landgraf Albrecht von Thüringen am
27.5.1265 post discordiam inter nos et ducem Brunswicensem habitam mit der Stadt Mühlhausen abschloss, die sich offenbar bis 1263/64 Herzog Albrecht angeschlossen hatte, Karl herquet, Urkundenbuch der ehemals freien Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und an- grenzender Gebiete 3), Halle 1874, S. 62 f., Nr. 169; doBenecker, Regesta, Bd. 3, S. 517, Nr. 3286.
483 Vgl. Anm. 452.
484 Über diesen Kreuzzug berichten zum Jahre 1265 die zeitgenössische Erfurter Chronica Minor (wie
Anm. 29), S. 671, und Peter von Dusburg in seiner Chronik des Preussenlandes, übersetzt und erläu-