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104 MATTHIAS WERNER
dete Exklaven im wettinischen Herrschaftgebiet darstellten468. Vielmehr eröffneten ihnen diese Neuerwerbungen die Möglichkeit, ihren Herrschaftsbereich von Kassel, Melsungen, Rotenburg und dem Kaufunger Wald aus bis an die Werra nach Osten zu erweitern und damit die westlichen Randzonen der Landgrafschaft Thüringen an sich zu bringen. 469. Bereits 40 Jahre später wurden die ehemals thüringischen Gebiete west- lich der Werra einschließlich Eschweges zu den partes Hassie gezählt470.
3. Die Folgen
Der im Spätherbst 1264 getroffene Vergleich beendete – ein gutes Jahr nach dem Aus- gleich mit dem Mainzer Erzbischof in den Langsdorfer Verträgen – den Konflikt So- phies und Heinrichs mit ihren wettinischen Vettern und „schuf einen wirklichen Frieden“ (Peter Moraw)471. Ein innerer oder gar kausaler Zusammenhang zwischen den Friedens- schlüssen von Langsdorf und dem hessisch-wettinischen Ausgleich bestand nicht. Es war vielmehr allein die durch superbia et utique mentis vesania472 herbeigeführte Niederlage Her- zog Albrechts vom 27. Oktober 1263 bei Wettin, die den Boden dafür bereitete, dass So- phie und Heinrich ihren Kampf um ihre Erbgüter in Thüringen aufgaben und zu einem Vergleich mit Markgraf Heinrich und seinen Söhnen bereit waren473. Dass die beiden gro- ßen Auseinandersetzungen, die Sophie seit 1248 und verstärkt seit 1256/61 um die Main- zer Kirchenlehen und seit 1259/60 um ihre thüringischen Erbgüter führte, nahezu gleich- zeitig 1263/64 ein Ende fanden, war somit letztlich dem Zufall zu verdanken. Dies gilt auch für die Tatsache, dass zu eben der selben Zeit der eigentlich Berechtigte des ludo-
468 Hält man sich vor Augen, welche tiefgreifende, lange nachwirkenden politischen und territorialen Fol- gen ein eher zufälliges Ereignis wie die Niederlage Herzog Albrechts bei Wettin für das gesamte damalige welfisch-hessisch-wettinische Konfliktfeld besaß, dann scheint auch das Umgekehrte denkbar, und dürfte zeitweise die Perspektive nicht gänzlich ausgeschlossen gewesen sein, dass Sophie und Heinrich die Wart- burg, Eisenach und andere thüringische Güter hätten für sich behaupten können, wie sie es bis 1264 an- strebten, wobei sie doch sehr wahrscheinlich das Ziel verfolgten, sie – ebenso wie dann nach 1264 die Wer- rastädte – mit ihrer Herrschaft Hessen zu vereinen. wenck (wie Anm. 25), S. 226, sah aus seiner durchaus thüringisch-wettinischen Perspektive eher die Gefahr, dass ein Übergang der Wartburg an Heinrich von Hessen bedeutet hätte, diesem „die Thür zum Lande offen halten, ihn einladen zur Teilnahme an allen Zwistigkeiten, welche der noch so neuen Dynastie mit dem selbstbewussten Herrenstande bevorstanden“.
469 Waren bereits ilGen/VoGel, s. 195, aus hessischer Perspektive der Meinung, „daß Städte aus der Wer- ragegend für Hessen entschieden das willkommenste Ausgleichsobjekt sein mussten“, so stellte de- mandt, Geschichte (wie Anm. 23), S. 185, nicht ohne anachronistische Untertöne heraus, dass 1264 „Hessen“ statt der so sehr begehrten Wartburg „die weitaus wichtigeren Werrastädte“ erhalten habe.
470 So in einer Verkaufsurkunde des Grafen Otto von Bilstein an Landgraf Heinrich von Hessen von 1303, die zahlreiche einzeln aufgelistete Lehngüter ab aqua Gewerra dicta usque ad silvam que Hecheno appellatur et sita per par- tes Hassie zum Gegenstand hat, Text nach Landgrafen-Regesten online Nr. 431  (Stand: 12. 09. 2011); Grotefend/rosenfeld, s. 147 f., nr. 409.
471 moraw, 1292 (wie Anm. 301), S. 42.
472 So die 1276/78 entstandene 2. Fortsetzung der Erfurter Peterschronik (wie Anm. 266), S. 253.
473 Nur in diesem Sinne mag das ansonsten gänzlich unzutreffende Vorstellungen evozierende Schlagwort
von der „Entscheidungsschlacht“ seine Berechtigung haben, vgl. oben S. 59 mit Anm. 264. Eine ähnli- che, ihrer Zeit geschuldete Überhöhung bildet das Urteil von ilGen/VoGel, S. 353, in der Schlacht von Wettin sei „zugleich auch das Geschick des hessischen Hauses gewogen“ gewesen.


































































































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