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NEUGESTALTUNG IN DER MITTE DES REICHES 105
wingischen Erbes in Hessen und einer Reihe thüringischer Besitzungen, Sophies Sohn Heinrich, die Regierungsfähigkeit erlangte und mit seiner selbstständigen Herrschaft be- gann474. Über eineinhalb Jahrzehnte nach dem Tod Heinrich Raspes waren mit dem Zu- sammentreffen dieser Faktoren jene Ausgangspositionen geschaffen, die die allmähliche Umwandlung der von Sophie in den Jahren 1248 bis 1263 behaupteten und 1264 mit dem Erwerb der thüringischen Werra-Städte erstmals erweiterten ludowingischen Herrschaft Hessen in die künftige Landgrafschaft Hessen entscheidend begünstigten475.
Bereits die ersten Monate des Jahres 1265 machten diese Wandlungen und Neufor- mierungsprozesse in der Herrschaft Hessen und ihre Folgen für das Machtgefüge im mitteldeutschen Raum sichtbar. Mit dem Abschluss eines Landfriedens für die terris nos- tris mit Bischof Simon von Paderborn im März 1265 gelang Landgraf Heinrich der ers- te Bündnisvertrag mit einem seiner fürstlichen Nachbarn nach den hessisch-welfischen Heiratsbündnissen von 1254/62476. Dieser deutliche Zugewinn an Rückhalt und Ein- fluss wurde im überregionalen Umfeld der Herrschaft Hessen offenbar als eine Ver- schiebung der bisherigen Kräfteverhältnisse wahrgenommen und führte zur Umpolung bisheriger Koalitionen und zur Entstehung neuer Bündnisbeziehungen. So bildete nicht nur der bereits erwähnte Parteiwechsel des Grafen Gottfried von Ziegenhain im Ap- ril/Mai 1265 auf die Seite Erzbischof Werners von Mainz und Landgraf Albrechts von Thüringen eine Reaktion auf das gewachsene Gewicht und die einsetzende Bündnispo- litik Landgraf Heinrichs477. Auch der Landfriedensbund, den Erzbischof Werner mit ei- ner Reihe von Herren und Städten der Wetterau und des Rhein-Main-Gebietes im Mai 1265 abschloss, richtete sich mit der Abgrenzung seines Geltungsgebietes im Nordwes- ten von Dillenburg über die Salzböde und das Kloster Schiffenberg bis nach Laubach deutlich gegen ein Ausgreifen der zunehmend als Machtfaktor in der Region angesehe- nen Herrschaft Hessen nach Süden478. Ob diese südliche Erweiterung mit dem Erwerb
474 Nach der zunehmenden Mitbeteiligung Heinrichs an der Regierung seit 1260, seiner ersten eigenstän- digen Regierungshandlung 1262, vgl. S. 54 mit Anm. 240, und dem mit seiner Mutter Sophie gemeinsa- men Abschluss der Langsdorfer Verträge im September 1263 setzte die selbstständige Regierung Hein- richs endgültig mit seiner Vereinbarung des Landfriedens mit Bischof Simon von Paderborn im März 1265 ein, vgl. Anm. 476. Dem entspricht es, dass Sophie in den gemeinsam mit Heinrich ausgestell- ten Urkunden seit Dezember 1264 den Titel domina Hassie ablegte, wohingegen Heinrich sich seitdem durchweg als dominus Hassie titulierte, vgl. Grotefend/rosenfeld, S. 32, Nr. 87; S. 38, Nr. 101; S. 40 f., Nr. 105 f.; doBenecker, Regesta, Bd. 3, S. 506, Nr. 3215; S. 525 f., Nr. 3343, 3350 f.
475 Die gemeinsame Bedeutung der beiden Friedensverträge hob heinemeyer, Erhebung (wie Anm. 70), S. 105, mit den Worten hervor: „Nunmehr konnte die Geschichte Hessens als eines selbstständigen Lan- des beginnen.“
476 weiland (wie Anm. 450), S. 610 f., Nr. 443; der gemeinsame Landfrieden wurde communicato consilio nos- tro et nobilium terrarum nostrarum vereinbart und – was bei der Nachbarschaft im Nordwesten nicht unbe- deutend war – u. a. im Namen des Erzbischofs von Köln von dessen Marschall von Westfalen mit be- schworen; Grotefend/rosenfeld, S. 35 f., Nr. 95. Immer noch hilfreich hierzu wie zum Folgenden weidemann (wie Anm. 141), S. 405 ff.
477 Vgl. dazu oben S. 100 mit Anm. 451.
478 weiland (wie Anm. 450), S. 611–614, Nr. 444, S. 612: ab illa silva [sc. der Schelterwalt bei Dillenburg] usque
ad aquam que dicitur Salzbuide; ab illa aqua versus claustrum Schiffenberg; ab illo claustro versus villam Loupach. Auf diese „Ausbuchtung des Friedensbezirkes“ nach Nordwesten, die die Wetterau gegen den hessischen


































































































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