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NEUGESTALTUNG IN DER MITTE DES REICHES 97
Zugleich aber lassen sich einige seiner zentralen inhaltlichen Aussagen vergleichswei- se sicher verifizieren. So begegnen die ursprünglich thüringischen, seit 1258 im Besitz Herzog Albrechts befindlichen Werra-Städte Allendorf und Witzenhausen nach 1264 unter hessischer Herrschaft436. Ebenso sind ein oder mehrere hessische Amtsträger nach 1264 sicher in Weißensee bezeugt437. Beides spricht für die Glaubwürdigkeit der Nachrichten über den Übergang der von Herzog Albrecht an die Wettiner ausgeliefer- ten festen Plätze an Heinrich von Hessen und über die Verpfändung von Weißensee und erweist damit die von dem Reinhardsbrunner Chronisten „überlieferten Friedens- bedingungen in der Hauptsache doch als zuverlässig“ (Ilgen/Vogel)438.
Ein Problem wirft lediglich der auffällige Befund auf, dass im Unterschied zu Al- lendorf und Witzenhausen die Stadt Eschwege nicht genannt wird, obgleich sie eben- falls nach 1264 aus welfischem Besitz an Heinrich von Hessen gelangt war439. Erst die thüringische Landeschronistik seit dem späten 14. Jahrhundert fügte dem Bericht der Reinhardsbrunner Chronik auch den Namen Eschweges hinzu440. Hält man angesichts
des Kompilators, vgl. etwa Reinhardsbrunner Chronik (wie Anm. 244), S. 622 (zu 1258). Vgl. weiter- hin die parallele Berichtsweise über den Landfrieden von 1282: Tandem mediantibus principibus et nobilibus terre talis composicio inter eos facta est, S. 631. Fraglich ist auch, ob Heinrich der Erlauchte nach der Herr- schaftsteilung von 1263 und seinem weitestgehenden Rückzug auf die Mark Meißen und die Ostmark als führender Vertragspartner bei dem Vergleich mit Heinrich von Hessen um thüringische Angele- genheiten fungierte. Richtig ist hingegen zweifellos wiedergegeben, dass Sophies Sohn Heinrich seit 1263/65 selbstständig agierte. Die Angabe über den Verzicht auf Thüringen wiederum hat die voran- gehende Darstellung der Chronik über den Konflikt inter marggravium Misnensem Heinricum et dominam So- phiam ducissam et Heinricum lantgravium Hassie um die Rückgabe Thüringens zur Voraussetzung. Die Zu- rückhaltung von ilGen/VoGel, S. 194, gegenüber der zunächst nahe liegenden Vermutung, in dem Text „urkundliche Reste des so schmerzlich vermissten Friedenstraktates“ vorzufinden, lässt sich somit ins- gesamt nur bestätigen.
436 Vgl. neben Grotefend/rosenfeld, S. 138, Nr. 379 und S. 32 ff., Nr. 86, Nr. 88–91, S. 113 f. Nr. 309 u. ö. jetzt vor allem den Beitrag von Helge wittmann im vorliegenden Band.
437 Dieser wichtige Nachweis ist ilGen/VoGel, S. 196 f., und S. 379 f., Nr. 21, zu verdanken, die die Be- richte der Reinhardsbrunner Chronik (wie Anm. 244), S. 624, 627, über die Verpfändung von Weißen- see und die ungerechte hessische Pfandherrschaft (zum Jahre 1273) überzeugend mit der von ihnen ent- deckten Urkunde doBenecker, Regesta, Bd. 4, S. 93, Nr. 635, vom 3.7.1271 in Verbindung brachten.
438 ilGen/VoGel, S. 197.
439 Die villa regia Eschwege, die Herzog Otto von Braunschweig Ende 1250 in seine Hand brachte, vgl. oben
S. 18 mit Anm. 52, erscheint nach einer langen Überlieferungslücke hinsichtlich ihrer herrschaftlichen Zugehörigkeit erstmals wieder 1292 im Zusammenhang der Erhebung Heinrichs von Hessen in den Reichsfürstenstand und wird hier als Eigengut Heinrichs bezeichnet, vgl. etwa eckhardt (wie Anm. 52), S. 264 ff., heinemeyer, Erhebung (wie Anm. 70), S. 89 f., 105 mit Anm. 79, S. 109 f., sowie Peter auf- GeBauer, Vor 700 Jahren: Eschwege und die Anfänge des Landes Hessen, in: Eschweger Geschichts- blätter 3 (1992), S. 3–14, hier S. 11 ff.
440 So erstmals die Ende des 14. Jahrhunderts im Eisenacher Dominikanerkloster entstandene „Cronica Thuringorum“, struVe (wie Anm. 330), S. 1331, unter Benutzung der Reinhardsbrunner Chronik: dux deberet dare pro liberatione sua octo munitiones, scilicet Essenvvege, Aldendorff, Witzenhusen, et alias prope Werram, pertinentes ad ducatum Brunswicensem. Der Verfasser teilt weiter mit, nach ihrem Verzicht auf alle ihre Rech- te auf das Land Thüringen hätten Sophie und Heinrich in suam potestatem illas octo municiones erhalten. Von hier aus ging die Nachricht in die nachfolgende thüringische und die ihr eng verbundene hessische Lan- deschronistik ein.