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96 MATTHIAS WERNER
1. Quellenkritische Probleme und Datierung
So glücklich der Umstand ist, dass der Ausgleich zwischen den Wettinern und Sophie und Heinrich überhaupt Eingang in die Quellen fand, so sehr erschwert es die Auswer- tung, dass diese zentrale Vereinbarung allein in dem von vielen Ungenauigkeiten und anekdotenhaften Berichten geprägten, kompilatorischen Kontext der Reinhardsbrun- ner Chronik überliefert wurde432. Dies umso mehr, als die Chronik, die als Überliefe- rungsträger zahlreicher verlorener Texte unschätzbaren Wert besitzt, bislang weder als historiographisches Gesamtwerk noch hinsichtlich ihrer eigenständigen Nachrichten für die Zeit nach der Mitte des 13. Jahrhunderts näher untersucht wurde433. Die ge- samte quellenkritische Problematik des Berichtes zu 1264 wird bereits daran sichtbar, dass die auf die Wiedergabe der composicio folgende Nachricht über die Verlobung einer Tochter Landgraf Albrechts von Thüringen mit einem Sohn Herzog Albrechts von Braunschweig, die einen inneren Zusammenhang mit dem Friedensschluss suggeriert, sowohl mit Blick auf die Personen wie auch chronologisch völlig unzutreffend ist434.
Schon ein erster Blick auf den regestenartig knappen Text zeigt, dass die Ver- gleichsurkunde dem Kompilator nicht im Wortlaut vorlag. Die von ihm verwandten Titel und einleitenden Formulierungen sowie die Angabe, dass Sophies Sohn Hein- rich auf omni iuri suo in terra Thuringie verzichtet habe, sprechen eindeutig dagegen435.
Aldendorf, Witczenhusin cum aliis prope Werram aquam adiacentibus et sexcentum marcas, pro quibus recepit in suam potestatem civitatem Wizense. Eodem tempore desponsata fuit filia Alberti lantgravii filio ducis Alberti; Grotefend/ rosenfeld, S. 32, Nr. 86; doBenecker, Regesta, Bd. 3, S. 507, Nr. 3217; Landgrafen-Regesten online Nr. 95 (Stand: 12.9.2011).
432 Die Problematik der Überlieferung wurde m. W. allein von ilGen/VoGel, S. 193–198, 353–356, näher thematisiert. Ihr abschließendes kritisch-vorsichtiges Urteil S. 197 f., und insbesondere S. 354: „Den ge- naueren Termin aller dieser Abmachungen anlangend, so wird sich darüber wohl eben so wenig jemals etwas Bestimmtes eruieren lassen, wie über die einzelnen Bedingungen des Friedens zwischen Meißen und Hessen überhaupt“ kann man nicht nachdrücklich genug unterstreichen!
433 Vgl. dazu bereits oben Anm. 284. Oswald holder-eGGer nahm in seinen Anm. 257 erwähnten Auf- sätzen zwar eine detaillierte Analyse der durch den Reinhardsbrunner Kompilator tradierten, ansonsten aber verlorenen thüringischen Annalenwerke und Chroniken vor, ging aber auf die Chronik selbst als historiographisches Werk und ihre eigenständigen Nachrichten kaum ein.
434 So bereits ilGen/VoGel, S. 194. Dass der Kompilator mit dem filio ducis Alberti Herzog Albrechts jün- geren Sohn Albrecht meinte, teilte er erst in seinem Jahresbericht zu 1281, Reinhardsbrunner Chronik (wie Anm. 244), S. 631 f., mit: Lantgravius vero senior Albertus sororem ipsorum, ut iam dictum est, Alberto iuni- ori filio Alberti ducis desponsaverat. Er lässt dann eine unverbürgte, anekdotenhafte Erzählung über einen Bruderzwist im Braunschweigischen Herzogshaus um die Landgrafentochter (sc. Agnes) und über die Heirat des älteren Sohnes Heinrich mit dieser folgen. Eine Verlobung 1264 scheidet sowohl für Herzog Albrechts jüngeren Sohn Albrecht wie für seinen erstgeborenen Sohn Heinrich aus. Hatte sich insbe- sondere weGele (wie Anm. 9), S. 38 mit Anm. 3, noch für letzteres eingesetzt, worin ihm ein Teil der Forschung folgte, so zeigte Bähr (wie Anm. 208), S. 35 mit Anm. 2, unzweifelhaft auf, dass Herzog Alb- rechts ältester Sohn Heinrich, der künftige Herzog Heinrich I. von Braunschweig-Grubenhagen (1279– 1322) erst 1267 aus Albrechts zweiter Ehe mit Adelheid von Montferrat geboren wurde. Seine Heirat mit Agnes fand 1282 statt.
435 Die Titulierungen von Sophies Sohn Heinrich als landgravius Hassie und Heinrichs des Erlauchten als marggravius sind urkundlich absolut ungebräuchlich, entsprechen aber umso mehr dem Sprachgebrauch