Page 114 - Langsdorfer Verträge Inhalt
P. 114

94 MATTHIAS WERNER
innerten Beweggründe Albrechts für seinen gescheiterten Überfall auf das wettinische Osterland wieder421. Ebenso gut denkbar ist aber auch, dass er bei seiner höfischen Darstellung das Motiv der Freundespflicht vor allem deshalb einführte, um mit ihm und mit der Rühmung der Tapferkeit diese wohl größte Schmach Herzog Albrechts in eine Ehrenrettung des Fürsten umzumünzen.
Die zeitgenössischen Erfurter Chronisten, die Fortsetzer der Chronica Minor und der Peterschronik, die als erste über die Ereignisse von 1263 berichteten, sahen hinge- gen keine kausale Verknüpfung mit den Auseinandersetzungen zwischen Sophie von Brabant und Heinrich dem Erlauchten422. Sie stellten den Kriegszug Albrechts, als dessen Ziel sie den Saaleraum bei Halle und die Diözesen Merseburg und Naum- burg nannten, als grausamen Verwüstungs- und Raubzug voller Brandschatzungen und Plünderungen dar, gaben aber außer der Beutegier sowie der superbia und mentis vesania des Herzogs keine näheren Gründe an423.
Die Frage nach den Motiven kann in unserem Zusammenhang letztlich offen blei- ben. Möglicherweise gab es neben der Fehdefreudigkeit Herzog Albrechts424 und sei- nem Bedürfnis, den ihm verfeindeten Wettinern möglichst großen Schaden zuzu- fügen, in der Tat weiterreichende, mit Sophie und Heinrich abgestimmte politische Ziele425. Mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit ist allerdings mit Ilgen und Vogel da- von auszugehen, dass „die braunschweigische Expedition thatsächlich einen mehr zu- fälligen Charakter trägt“ und dass es sich im wesentlichen um einen vom Herrschafts- gebiet der Grafen von Anhalt ausgehenden Plünderungszug in die wettinischen Lande
421 Auf die engen Beziehungen Albrechts zu seinem Schwager hatte der Verfasser schon kurz zuvor ver- wiesen, als er im Zusammenhang mit dem Kriegszug 1259/60 nach Thüringen von der Hilfe Albrechts als Schwager Heinrichs von Hessen gegen den rechtsbrüchigen Markgrafen Heinrich von Meißen be- richtete, ebd., S. 560, Vers 8148–8196; vgl. dazu oben S. 61 f.
422 Vgl. oben S. 59 ff. Dies erscheint besonders bei der ca. 15 Jahre nach den Ereignissen entstandenen ersten Fortsetzung der Erfurter Peterschronik bemerkenswert, die als einzige Quelle die Kriegszüge von 1259/60 und 1263 miteinander verknüpft und in einem einzigen Bericht zusammenfasst, ohne je- doch nur andeutungsweise einen kausalen Zusammenhang herzustellen. Dem entspricht es, dass der Verfasser die terra Thuringorum, die den Gegenstand des Konfliktes von 1259/60 und das Ziel des ers- ten Kriegszuges bildete, und die partes Orientales, in die Herzog Albrecht 1263 einfiel, deutlich als unter- schiedliche Regionen behandelte.
423 Hierbei wurde, wie oben S. 60 mit Anm. 265 und Anm. 270 dargestellt, der Bericht der Chronica Minor (wie Anm. 29), S. 668 f., der bereits die wesentlichen ereignisgeschichtlichen Informationen enthielt und mit der Angabe asportantes spolia multa gewiß eines der Motive des Überfalls nennt, vom Verfasser der Pe- terschronik (wie Anm. 264) übernommen und, um weitere Details erweitert, zu einer scharfen Kritik an den Saxones und einer Rühmung Thüringens und der Thüringer umgeformt.
424 Vgl. oben Anm. 323. Nach dem Urteil von schuBert (wie Anm. 323), S. 707, waren die meisten Kriege Albrechts „nur ein fürstlicher Aktionismus“.
425 So vor allem weGele (wie Anm. 9), S. 33 ff. Nicht ohne Interesse in diesem Zusammenhang erscheint, dass Albrechts Verbündeter bei dem Einfall in das Osterland, sein Schwager Graf Heinrich II. von An- halt, als Sohn von Heinrich Raspes Schwester Irmgard jenen Graf Siegfried I. von Anhalt zum Bruder hatte, der 1247/48 mit Erbansprüchen in Nordthüringen eingedrungen war und sich noch nach seiner finanziellen Abfindung durch Heinrich den Erlauchten als HERES THURINGIE titulierte, vgl. te- Bruck, Pacem confirmare (wie Anm. 7), S. 257–259, und oben S. 17. Hier lagen, wie auch lutz (wie Anm. 9), S. 258 f., betont, alte Gegnerschaften vor.


































































































   112   113   114   115   116