Page 61 - Brandmüller_Kardinal_Reprint
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gegenkommend, die Katholiken der Stadt an der täglichen Messe des Fürstbischofs im Schloß teilnehmen69.
Das war aber trotzdem nur eine vorübergehende Milderung des ständigen Druk- kes, den die Katholiken spüren mußten. Dem war Hübners empfindsamer Charak- ter und seine schwache Gesundheit auf die Dauer nicht gewachsen. Dazu kam noch die tägliche Sorge um den Lebensunterhalt, denn er bezog nicht einmal die Hälfte des normalen Einkommens eines hochstiftischen Pfarrers70. Diese Gründe bewogen ihn, wiederholt um eine andere Stelle zu bitten71. Allein der Fürstbischof war nicht geneigt, Hübners Wunsch zu entsprechen, mochte er doch den bewährten Mann in Bayreuth nicht entbehren72. Doch wollte er wenigstens die materielle Not des Bayreuther Missionars und seiner Gemeinde beheben, um sie in ihrem Willen zur Selbstbehauptung zu bestärken. Im Hintergrund stand dabei auch die Hoffnung, es möchten die augenblichen Zwistigkeiten zwischen Lutheranern und Reformierten den Katholiken etwas Luft verschaffen, denn jede der beiden streitenden Parteien vertrug sich besser mit diesen, als miteinander73. Doch hatte der Bischof nicht mit der zielbewußten Energie des Konsistoriums gerechnet. Diesem hatte soeben das Stadtpfarramt gemeldet, „der hiesige römisch-catholische sacrificulus“ habe in einer alle Rechte verletzenden Weise durch seinen Kantor öffentlich Schule halten lassen, die von 20–30 Kindern besucht worden sei. Hübner – meinte das Konsistorium in seinem Bericht an den Markgrafen74 – habe doch wissen müssen, daß die Katholi- ken gemäß der früher erteilten Konzession ihre Kinder in der evangelischen Reli- gion erziehen müßten75. Das habe man verfügt, damit die Papisten sich nicht all- zusehr einnisteten und mit dem Sauerteig ihrer abergläubischen und irrigen Lehre das ganze Land ansteckten, wie überall, wo sie die geringste Freiheit haben. Schuld daran trägt wohl ein Gerücht, das besagt, Serenissimus wolle auch in Erlangen das Exerzitium der katholischen Religion gestatten76. Das Konsistorium sei zwar vom Glaubenseifer seiner hochfürstlichen Gnaden völlig überzeugt, doch sei dieser Vor- fall ein Beweis für die Gefährlichkeit der Katholiken, denen man darum nicht die geringste Freiheit über das hinaus geben dürfe, was sie schon besitzen. Wolle denn der Markgraf seine Kirchenhoheit mit dem Papste teilen? Wenn auch die Katholiken
69 Looshorn VII 93 f.
70 Sein Einkommen betrug in Naturalien 14 Sra Korn, 10 Sra Gerste, 6 Sra Weizen und 16 Klafter Holz.
Dazu kamen 162 fl. 30 kr. rh. in bar. Das Vikariat schlug eine Gehaltserhöhung auf 400 fl. rh. vor
(STABbg B 74 I 12 pr 44).
71 STABbg B 74 I 12 pr 42.
72 STABbg B 74 1 12 pr 35, 36, 38.
73 STABbg B 74 I 12 pr 45.
74 Konsistorium an Markgraf Friedrich 4. August 1737 (STABbg ex A 170 79 pr 2).
75 In der Konzession von 1722 ist keine derartige Bestimmung enthalten.
76 Das also war der eigentliche Zweck des Schreibens! Man wollte einerseits den Markgrafen mit die-
sem Fall auf die Probe stellen, andererseits aber auch eine deutliche Warnung an seine Adresse rich- ten, denn das Gerücht bezüglich Erlangens hatte einen sehr realen Kern.
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