Page 55 - Mitteilungen-Geschichtsverein Erfurt Heft 22
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Zum Erfurter Geleit in Mittelalter und früher Neuzeit
Die beiden undatierten Erfurter Tafeln GT 4 und 5 erwähnen ebenfalls die polnischen Wagen und Claus Hildebrandt, nicht aber die Frammersba- cher Fuhrleute. Sie unterscheiden sich jedoch von allen anderen Tafeln durch einen ausführlichen zweiten Teil. Er umfasst in 34 „Artikeln“ Miss- stände und Unklarheiten – „Ausziehungen und Gebrechen“ –, die im Er- furter Geleit aufgetreten sind.106 Da der Geleitsmann dazu „Berichtung“ erbat, hatte er sie der Regierung in Weimar eingereicht, um Entscheidun- gen und Verhaltensanweisungen zu erhalten. Dies war das übliche Verfah- ren,107 wie eine Vielzahl ähnlicher Anfragen in Einzelfällen, aber auch lis- tenartige Zusammenstellungen mit der Bitte um Anweisung in den Akten der Weimarer Regierung zeigen.108 Von ihr wurden die Anfragen zumeist ehemaligen Geleitsleuten oder auch früheren Dienern im Erfurter Geleit zur Stellungnahme vorgelegt.109 Dieses Verfahren war auch in diesem Falle angewandt worden, denn bei mehreren Artikeln verweist der Antwortende auf seine eigene frühere Übung, als er „am Geleit (Dienst) gewesen“ sei (GT 5 z.B. Z. 408, 513 f.) und am Schluss sagt, dass er seinen Bericht auf
106 Auch in GT 11 wird auf dem Titelblatt angekündigt: Gleitsordnung sampt etz- lichen artickeln und antworten, doch folgt nach der Geleitstafel von derselben Hand auf Bl. 12r–19r ein Text, der in keiner Verbindung zur Geleitstafel steht. Vielmehr handelt es sich mit der neuen Überschrift Vortzeichnus der felle, die sich hie in der stadt begeben hat, um eine Zusammenstellung von gewaltsam oder durch Unfälle verursachten Todesfällen in Erfurt in den Jahren 1543–1548. Dabei geht es für die gerichtliche Klärung um die Entnahme von „Leibzeichen“ vom Leichnam oder der Kleidung des Toten, die der Rat veranlasste, die aber auch von den Mainzer Amtleuten beansprucht wurde. Zu „Leibzeichen“ vgl. Deutsches Rechtswörterbuch. Bd. 8. Heft 7/8. Weimar 1989. Sp. 1118 f.
107 1545 berichtete der ehemalige Geleitsmann Friedrich Mehrmann (1524–1530), wan ime etwas gemangelt, hab er zu Weinmar umb radt angesucht. SHStA Dresden, Geh. Rat (GehA) Loc. 9862/1 Bl. 311r.
108 So ThHStA Weimar, Fstm. Weimar B Nr. 23211 Bl. 25r–32r; ebd. B Nr. 23664 Bl. 8v, 9r; ebd., EGA Reg. Cc Nr. 246; ebd., Reg. G Nr. 12; ebd., Reg. G Nr. 159.
109 Vgl. ThHStA Weimar, Fstm. Weimar B Nr. 23211, Bl. 25r: Uf nachverzeichnete artickel seint etzliche alte gleitsdinere, mit nahmen unterschrieben, uf ihr eyds pflicht befragt und ihre aussage darauf unterschiedlichen verzeichnet worden, wie hernach volget. Es sind 20 „Artikel“ und „Antworten“, die im beisein des glaitzmans zu Erffurtt Florian Schadens (1558-1570) von drei Geleitsleuten zu Tambach, Burgau und Vogelsberg unterzeichnet wurden (Bl. 32r).
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