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HUANG DI NEI JING LING SHU
schwollenen Gesicht und Unruhe im Herzen“ begleitet sein oder auch von einer „Neigung zu Traurigkeit und Weinen“ und erfordert dann un- terschiedliche Eingriffe, die dem Kundigen zeigen, wo laut Theorie das Problem ist, etwa in der Fuß-Yang-Helligkeit- oder Fuß-Groß-Yin-Leit- bahn. Kopfschmerz, der aus „Zurückweichenden Qi“ resultiert, mag mit Schwindel oder Vergesslichkeit oder Gelenkschmerzen verknüpft sein. Alle diese unterschiedlichen Ausbildungen des Kopfschmerzes werden in der Theorie auf die Anwesenheit übler Qi in verschiedenen Gefäßberei- chen zurückgeführt und fordern entsprechend differenzierte Therapien. So werden zahlreiche gesundheitliche Probleme von Schluckbeschwer- den und Taubheit, von Nasenbluten und Menstruationsbeschwerden, bis hin zu Verdauungsbeschwerden und Bandwürmern, psychischen Leiden und Tumoren erörtert. Die Erläuterungen krankhafter Erschei- nungen unterscheiden zwischen solchen, die anspruchsvoll genug waren, um in der Fachliteratur beschrieben zu werden, und anderen, die lediglich mündlich überliefert werden. Dazu zählen in Ling shu Kapi- tel 28 die Erklärungen für alltägliche Unannehmlichkeiten wie „Gähnen“, „Niesen“, „Seufzen“, „Ohrgeräusche“ und andere mehr, oder auch das sich versehentlich auf die Zunge Beißen. Für alle diese von Huang Di nach- gefragten Erscheinungen bot die Theorie mit den Worten des Qi Bo eine Erklärung. In Kapitel 32 fragt Huang Di, warum ein Mensch, der sieben Tage keine Nahrung zu sich nimmt, sterben muss. Qi nennt daraufhin die Größe und das Fassungsvermögen des Magens und der Därme, berechnet die Menge des täglichen Verzehrs und der täglichen Ausscheidungen und schließt daraus, wann die Vorräte im Organismus aufgebraucht sind. Ka- pitel 43 ist den Träumen gewidmet, deren unterschiedliche Inhalte darauf hinweisen, wo im Organismus abnormale Vorgänge stattfinden. Kapitel 81 widmet sich den zahlreichen Abszessen und anderen Hautproblemen, die auf Grund innerer „Stockungs- und Hindernis-Leiden“ entstehen. Der Text in seiner Gesamtheit vermittelt den Eindruck, dass die Autoren bestrebt waren, alle gesundheitlichen Probleme, mit denen die Menschen seinerzeit konfrontiert waren, in ihrem säkularen, weil rein naturgesetz- lich begründeten Erklärungsmodell verständlich zu machen. Erst dieses Verständnis, so lesen wir, ermöglicht eine erfolgreiche Therapie.
9. Therapie
Eine Therapie ohne gründliche Diagnose einzuleiten, das ist abzuleh- nen und wird nur den „ungehobelten“ Praktikern zugesprochen. Die für die Behandlung eines Patienten anzuwendenden therapeutischen Ver- fahren sind vielfältig und lassen sich kaum von einem Heilkundigen
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