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HUANG DI NEI JING LING SHU
Qi], in [den Exzessen von] Freude und Ärger, in [der Maßlosigkeit von] Getränken und festen Speisen, ebenso wie in [einer unpas- senden] Wohnsituation, aber auch in heftigem Erschrecken und plötzlicher Furcht.
Selbstverständlich steht die eigene Verantwortung für einen die Ge- sundheit erhaltenden Lebenswandel im Vordergrund. Das war die Grundlage der existentiellen Selbstverantwortung, dass man den Na- turgesetzen „angepasst“ lebte und ihnen nicht „zuwiderhandelte“.
Der Mensch ist umgeben von Naturphänomenen, die offenbar nur da- rauf warten, in ihn einzudringen und dann Krankheit zu erzeugen. Er darf sich keine Blöße geben, bzw. er darf in seinem Äußeren keine Bre- sche öffnen, durch die das „Übel“ Eingang finden kann. Wie bereits oben ausgeführt, sind es die Emotionen, die, im Übermaß entwickelt, den Freiraum, also die „Leere“, schaffen, die den Eindringling zur In- vasion einladen. Die Haut ist im Normalzustand eine geschlossene Barriere für mögliche Eindringlinge. Sie muss überwunden werden und dafür gibt es Hautstrukturen und Schweißporen, die zum Beispiel nach großen Anstrengungen geöffnet sind und den Eintritt ermöglichen. Ins- besondere der Wind, ursprünglich als machtvoller Geist verstanden,12 wurde seit alters her als erste der Naturkräfte genannt, die im Körper eigentlich nichts zu suchen haben, aber bei entsprechender Unacht- samkeit doch Eingang finden und dann, gerne gemeinsam mit Kälte oder Feuchtigkeit, Stauungen im Fluss von Qi und Blut bewirken, mit Schmerz, Schwellung und vielen anderen Konsequenzen.
Es blieb den damaligen Beobachtern auch nicht verborgen, dass es nicht nur vom eigenen Lebenswandel abhängen kann, ob jemand krank wird oder nicht. Offenbar gab es angeborene Konstitutionen, die dem einen ein langes Leben und dem anderen einen frühen Tod brachten. Der eine Mensch wird, so lesen wir in Ling shu Kapitel 47, mit einem großen Herz, der andere mit einem kleinen Herz, der eine wird mit einer großen Niere, der andere mit einer kleinen Niere, etc. geboren. Das ist doch selbstverständlich, so der damalige Autor, dass diese angeborenen Konstitutionen jeweils andere Lebenschancen er- öffnen.
12 Paul U. Unschuld: „Der Wind als Ursache des Krankseins. Einige Gedanken zu Yama- da Keijis Analyse der Shao-shih Texte des Huang-ti nei-ching“. In T‘oung Pao 68. (1982), 91-131.
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