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HUANG DI NEI JING LING SHU
Man schaut hin und sieht nichts; man hört zu und hört nichts. Da- her hat es den Anschein, als seien Dämonen und Geister beteiligt.
Man mag sich fragen, ob es in unserer Gegenwart, zwei Jahrtausende später, eine bessere Antwort auf die Frage des Huang Di geben könn- te. Huang Di ist aber noch nicht überzeugt und verweist nun darauf, dass aber doch gelegentlich Patienten geheilt werden, nachdem ein Ge- bet gesprochen wurde. Darauf lässt Qi Bo ihn wissen, dass diejenigen, die solche Gebete sprechen, schon im voraus wissen, welche zeitlichen und sonstigen Gegebenheiten eine Krankheit überwinden, und wenn sie dann noch wissen, wieso es zu der Krankheit kam, dann können sie eins und eins zusammenzählen und ein Gebet sprechen, das dann ver- meintlich die Heilung bewirkt.
In Kapitel 60 des Ling shu sah sich der Autor zu deutlichen Worten ge- nötigt. Stockungs- und Hindernisleiden werden dort diskutiert, das sind Blockaden der innerkörperlichen Leitbahnen, durch die das Blut und die Qi fließen. Solche „Stockungen“ und „Hindernisse“ führen schließlich zu Abszessen, Karbunkeln und ähnlichen Läsionen, denn die gestauten Qi und das Blut verrotten, wenn sie nicht fließen können und brechen dann durch die darüber liegende Haut aus. Diese Erläuterung nutzte Qi Bo dazu, noch einmal die allmähliche Entstehung dieser und natürlich mancher anderer Krankheiten aus dem Organismus heraus zu betonen:
Also, dass Stockungs- und Hindernis-Leiden entstehen, dass sich [Ansammlungen] von Eiter und Blut bilden, das fällt nicht vom Himmel herab und das wächst auch nicht aus der Erde empor. Das entsteht aus minimalen Ansammlungen.
Man vermeint fast zuschauen zu können, wie ihm allmählich die Geduld ausgeht, solche Selbstverständlichkeiten seinem Zuhörer zu erläutern. Dämonen und Geister als Ursache des Krankseins schieden also voll- kommen aus. Die Alternativen, die die neue Medizin vorstellte, deckten ein weites Spektrum ab. Sie reichten über den persönlichen Lebenswan- del, die angeborene Konstitution, gesundheitsgefährdende klimatische Bedingungen, Auswirkungen des sozialen Status und regionalen Le- bensmittelpunkts bis hin zu den individuellen Wohnbedingungen und psychischer Erregung. So heißt es in Kapitel 28:
Der Ursprung aller Krankheiten liegt in Wind, Regen, Kälte und Sommerhitze, in [den Unregelmäßigkeiten der] Yin[-Qi] und Yang[-
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