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Pegnitzpartie mit der Insel Schütt, Léon Gérard, 1857.
Vor genau 175 Jahren war die Geburtsstunde der Foto- grafie. Wegbereiter dieses neuen Verfahrens waren die Franzosen Nicéphore Niépce (1765–1833) und Louis Jacques Mandé Daguerre (1787–1851), die die ersten Tech- niken und chemischen Verfahren zur Fixierung von Bildern entwickelten, und der englische Gelehrte Henry Fox Talbot (1800–1877), Erfinder des Negativ-Positiv-Verfahrens.
Im Sommer 1839 veröffentlichte der Physiker François Arago (1786–1853) das erste praxistaugliche fotogra- fische Verfahren. Zeitgleich mit der Patentierung des neuen Mediums in Paris experimentierten in Nürnberg die Mechanikerbrüder Carl Siegmund (1780–1857) und Peter Bauer (1783–1847) sowie der Drechsler Johann Jakob Heller (1801–1860) mit der Camera obscura und fertigten selbst Daguerreotypien an, jene nur als Unikat
existierenden Aufnahmen der Frühzeit. 1840 konnte die Nürnberger Bevölkerung die ersten Fotografien in der Kunstausstellung des Albrecht-Dürer-Vereins bewundern.
Bereits um die Mitte der 1840er Jahre richteten die bei- den Maler Friedrich Hahn (1804–1880) und Georg Schmidt (1811–1867) und der zuvor als Pharmazeut tätige Paul Sigmund Cramer (1810–1869) feste Ateliers ein. Eine weitere fotografische Anstalt betrieb Anfang der 1850er Jahre der aus Frankfurt stammende Lithograf Carl Fried- rich Mylius (1827–1916.) Damit etablierte sich in Nürn- berg ab der Jahrhundertmitte ein neuer Beruf, der von Jahr zu Jahr attraktiver wurde: Ist im Einwohnerbuch von 1846 lediglich ein Fotograf aufgeführt, so sind es 1860 bereits sieben und 1873 steigt die Zahl auf 23 Personen an, um sich bis zur Jahrhundertwende zu verdoppeln.
Neben den Ateliers gab es in den 1840er und 1850er Jahren auch zahlreiche Wanderfotografen in der
Stadt, die in Gastwirtschaften und Hotels ihre tempo- rären Aufnahmestudios einrichteten. Zu ihnen zählten der aus Erlangen stammende Georg Jakob Gattineau (1810–1888), der mehrmals in der Stadt weilte, und Georg Böttger (1821–1901), der später in München zum Hoffotografen aufstieg. Gerade über diese Wander- fotografen erfuhr das Wissen um die Fotografie eine rasche Ausbreitung. Praktische Kenntnisse vermittelten aber auch Optiker und Mechaniker, die auf Messen
und Jahrmärkten ihre neuesten Kameras und Fotoap- parate einem breiten Publikum präsentierten, sowie Berichte und Artikel in Zeitungen und Zeitschriften.
Das Stadtarchiv Nürnberg verfügt über zwei Bestände mit Fotografien aus der Frühzeit des neuen Mediums: Den Bestand A 47, der nahezu 2.000 Glasplattennega- tive und circa 600 Originalabzüge von Georg Schmidt und seinem als Fotograf des Industriezeitalters be- rühmt gewordenen Sohn Ferdinand (1847–1909) um- fasst, und den Bestand A 60 mit rund 250 originalen Abzügen zumeist unbekannter Fotografen des 19. Jahrhunderts. Aus diesen beiden Beständen wurde die Auswahl für die diesjährige Sommerausstellung des Stadtarchivs Nürnberg im Handwerkerhof getroffen, die zum Teil noch nicht veröffentliche Aufnahmen der Stadt aus den Jahrzehnten zwischen der Romantik und dem Beginn der Hochindustrialisierung zeigt.
Maxtor, Ferdinand Schmidt, 1868.