Page 7 - StadtAN Ausstellungskatalog Der Erste Weltkrieg
P. 7
Prüfung zu bitten, ob erneuten Schließun- gen durch die Einführung der ungeteilten Arbeitszeit in Betrieben und Schulen begeg- net werden könne. Man wollte in den Schulen den Unterricht auf Kurzstunden in der Zeit von acht bis zwölf Uhr beschränken, um am Nachmittag nicht mehr heizen zu müssen. Im Progymnasium, in der Lehrerbildungsanstalt sowie der Höheren Privaten Mädchenschule konnte so verfahren werden, in der Volks- hauptschule war dies wegen Lehrermangel nicht möglich.18
Zeigen die Unterrichtsausfälle und die mili- tärische Nutzung von Schulräumen die eher passive Aufgabe der Schulen, so wurde ihnen bereits in einer frühen Phase des Kriegs auch eine aktive Rolle zugewiesen. Diese bestand einerseits darin, die Kinder und Jugendlichen ideell auf die Ziele des Staates einzustellen – sprich, die Schulen dienten der Propaganda. Andererseits leisteten die Schülerinnen und Schüler in vielfältigen Aktionen eigene Bei- träge zur Kriegsführung. Die erwähnte Ministerialentschließung, Krieg und Schule betreffend, vom 9. Oktober 1914, forderte von den Schulen, die vaterländische Begeisterung und Opferwilligkeit [...] zu vertiefen und für die sittliche Ausbildung der Jugend beider- lei Geschlechts auszuwerten. Quasi in Ergän- zung des Stundenplanes wurde die Kenntnis der bekanntesten vaterländischen Lieder im vollen Wortlaut und in der Melodie und der Wohlfahrtseinrichtungen [...] zur Pflege unse- rer im Felde verwundeten Krieger und zur Linderung der Not ihrer in der Heimat ver- bliebenen Angehörigen gefordert, wobei von Gefallenen nicht die Rede ist. Die Kinder und Jugendlichen sollten Anleitung zum Verzicht auf entbehrliche Genüsse und tätige Mithilfe erfahren, speziell den Mädchen wurde die Anfertigung wärmender Bekleidungsgegen- stände für unsere Feldsoldaten im Handar- beitsunterricht angetragen.19
Es gibt zwei wesentliche Gründe anzu- nehmen, dass in den Schulen diese und
noch spätere ähnliche ministerielle Vorga- ben umgesetzt wurden. Zum einen kann die Lehrerschaft der bürgerlichen Mitte zuge- ordnet werden, der unterstellt werden darf, dass sie eine weitgehend staatstragende Posi- tion einnahm.20 Zum anderen unterstanden ja alle Schulen, die privaten eingeschlos- sen, der staatlichen Schulaufsicht, die dar- auf achtete, dass die ministeriellen Vorgaben eingehalten wurden. Es ist daher wenig ver- wunderlich, wenn sich die Jahresberichte der Schulen, bezogen auf den Krieg, nur wenig unterscheiden. Da gibt es zum Beispiel zahl- reiche Berichte von Lehrern und Schülern, die zum Kriegsdienst eingezogen waren oder sich freiwillig gemeldet hatten.
Wie sehr im Unterricht den staatlichen Anfor- derungen Rechnung getragen wurde, ergibt sich aus dem Jahresbericht 1915/16 der Nürn- berger Höheren Mädchenschule: Gleich- wie im Schuljahre 1914/15 waren sämtliche Lehrkräfte eifrig darauf bedacht die Schü- lerinnen anzuleiten, unsere ruhmvolle Zeit
Das 1898 vollendete Schulhaus der Nürnber- ger Städtischen Höhe- ren Mädchenschule in der Labenwolfstraße 10, Foto Hochbauamt, 23.6.1916. (StadtAN A 41/II Nr. LR-421-46)
19