Page 14 - StadtAN Ausstellungskatalog Der Erste Weltkrieg
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Erste Seite des schul- ärztlichen Jahresberichts 1915/16 des Nürnber-
ger Stadtschularztes Dr. Rudolf Bandel (1873–1937). (StadtAN C 48/I Nr. 14)
Für die vormilitärische Ausbildung waren die Schulen nicht zuständig, diese oblag den Jugendverbänden.45 Berührungspunkte mit den Schulen gab es aber allemal dadurch, dass die Schulen Räumlichkeiten zur Verfü- gung stellten46 und dadurch, dass die Jugend- kompanien teilweise nach Schulen gebildet wurden. Solche Kompanien sind überliefert für das Alte Gymnasium Nürnberg mit zeit- weise über 100 Schülern47 oder an der Real- schule mit Handels-Abteilung zu Fürth, wo 1916 zwei Jugendkompanien mit 110 Schü- lern entstanden. 1917/18 nahmen 132 Schüler teil.48 Die Ausbildung am Alten Gymnasium Nürnberg unter der Leitung eines Haupt- manns, der im Zivilberuf Lehrer war, sowie geeigneter Soldaten, umfasste die Bewegung in militärischen Formationen, Turnspiele und den Umgang mit Übungsgewehren. Ein mili- tärischer Drill wurde nicht gefordert.49
Das Engagement der Jugendlichen hatte bei der vormilitärischen Erziehung oder im vater- ländischen Hilfsdienst den Vorteil, dass sie sich dabei unter Aufsicht befanden. Der Fron- teinsatz zahlreicher Väter und der Umstand,
dass viele Mütter arbeiten mussten, um ihre Familien zu ernähren oder weil sie im Laufe des Kriegs als Arbeitskräfte in Landwirt- schaft und Industrie gebraucht wurden, führte verstärkt dazu, dass eine wachsende Zahl von Kindern auf sich selbst gestellt war. Um einer Verwahrlosung entgegenzuwirken, stellte der Erlanger Magistrat schon zu Kriegsbeginn der Volkshauptschule ein Grundstück an der Ludwigsbrücke zur Verfügung, auf dem bis zu 40 Knaben einen Garten anlegten. Bei der zunehmenden Lebensmittelknappheit hatte dies neben der Beaufsichtigung noch den Vor- teil, dass sie einen Anteil an der Ernte erhiel- ten. Allerdings verringerte sich zeitweise die Zahl der Schüler, da sie zu sehr in familiäre Pflichten eingebunden waren.50
In Nürnberg gaben Jugendliche in einem Arbeiterviertel Anlass für die Forderung, daß die Schule die Zucht dieser Kinder energisch in die Hand nimmt. Auch wurde beklagt, es hätten Jugendliche Kontakt zu Prostituierten aufgenommen. Der Magistrat veröffentlichte daher im Amtsblatt vom 13. Juli 1915 einen Erlass, der es Schülerinnen und Schülern der Volkshauptschule verbot, sich nach Eintritt der Dunkelheit, spätestens aber nach 21 Uhr, ohne Begleitung Erwachsener auf öffentlichen Stra- ßen und Plätzen aufzuhalten.51 Für Schüler, deren Väter im Heeresdienst standen und die deswegen der elterlichen Zucht daheim ent- behrten, wurde in der Kreis-Realschule I eine wöchentliche Arbeitsstunde eingerichtet.52 Neben der Zucht und Ordnung versuchte man allerdings auch auf die Gesundheit der Schü- lerinnen und Schüler zu sehen. Ein auf den 4. April 1917 datierter schulärztlicher Bericht kommt zu dem Schluss: [...] Es sind sonach Hinweise vorhanden, dass das zweite Kriegs- jahr gesundheitliche nachteilige Folgen für die Kinder gehabt hat, doch ist ein siche- res Urteil schwierig, da bei einzelnen der erwähnten Krankheitsgruppen Steigerungen gelegentlich auch in einem der früheren Vor- jahre vorkamen. [...] 53
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