Page 12 - StadtAN Ausstellungskatalog Der Erste Weltkrieg
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bot von Lektüre. Bei zehn bis elf Stunden körperlicher Arbeit pro Tag fielen seine dies- bezüglichen Bemühungen allerdings kaum auf fruchtbaren Boden. Neben dem pädago- gischen Anliegen hatte der Truppführer auch auf die Arbeitsmoral der Jungen zu achten und auf deren allgemeine Moral. Hier notierte er in einem Brief, dass, bezogen auf die Letz- tere, bestimmte organisatorische Vorkehrun- gen getroffen seien. Etwas wenig charmant hielt er noch fest: zudem scheint mir die Ver- suchung bei diesen Oberpfälzerinnen nicht allzu groß zu sein. Die ungewohnte körper- liche Arbeit hielt er für die Schüler als zu schwer, meinte aber auch, dass ihnen der nötige Ernst fehle. Der Einsatz dauerte vom 25. Mai bis zum 31. August, wobei zehn Jugendliche schon vorzeitig heim geschickt wurden, weil sie gesundheitliche Probleme hatten. Ein weiterer Trupp aus Schwabach kam bei der Hackfrüchteernte am 1. Oktober 1918 für zwei bis drei Wochen in der Nähe von Straubing zum Einsatz.37
Wie sehr das Schulwesen dem Kriegswe- sen unterworfen werden konnte, wenn den zuständigen Stellen dies notwendig erschien, erlebten die Schülerinnen der Berufsschule für Mädchen in Erlangen. Wer von ihnen im Hilfsdienst oder in der Rüstungsindust- rie gebraucht wurde, musste beurlaubt wer- den. Die Schule hielt sich jedoch zugute, dass sie einen Mindestunterricht von zwei Wochenstunden hatte aufrechterhalten kön- nen.38 In der Berufsschule für Knaben hatten die Lehrlinge nach Einrichtung von Sonn- tagskursen immerhin die Möglichkeit, Unter- richtsversäumnisse außerhalb der Arbeitszeit zu verringern.39 Eine Statistik aus Erlan- gen lässt erahnen, welches Ausmaß die Ver- wendung von Schülern im Hilfsdienst im Fortgang des Kriegs angenommen hatte. Danach gab es 1913/14 in der Werktags- schule 23 entschuldbare Schulversäumnisse, 1917/18 waren es 40.694 solcher Versäum- nisse.40 In einem Schreiben des Kriegsamts
im Kriegsministerium an die Stadt Schwa- bach vom 25. September 1917 wurde denn auch eindeutig klargestellt: Die landesrecht- liche Schulpflicht [...] hat gegenüber der reichsgesetzlichen Hilfsdienstpflicht zurück- zutreten.41
Im Zusammenhang mit dem „Jungman- neneinsatz“ der Schwabacher Volks- schulseminaristen ist zu sehen, dass die Arbeitsleistungen zwar als moralische Pflicht eingefordert wurden, die Einsätze jedoch auch in den späten Phasen des Kriegs noch immer freiwillig waren. Es war also offenbar gelungen, genügend Freiwillige zu mobilisieren. Die Schulen hatten dem- nach ihren Auftrag über die gesamte Dauer des Kriegs, bei den Jugendlichen patrioti- sche Gefühle zu wecken und wachzuhalten, erfüllt. Allerdings gibt es nur sehr wenige Quellen, aus denen sich die Stimmung bei den Jugendlichen ersehen lässt. Ein etwas differenzierteres, wenngleich aus der Feder eines Schulleiters stammendes Bild ergibt sich aus dem Jahresbericht des Humanis- tischen Gymnasiums Fürth für das Jahr 1914/15: Trotz des Weltkrieges konnte das Schuljahr zur vorgeschriebenen Zeit eröff- net werden und konnte auch weiterhin einen fast ungestörten Verlauf nehmen. Nur die Siegesfeiern unterbrachen den regelmäßi- gen Gang des Unterrichts, sonst schien sich alles in den gewohnten Geleisen zu bewegen. Doch zeigten schon die vielen leeren Bänke in den oberen Klassen und die mancherlei Landkarten und Bilder, die an den Wänden der Lehrzimmer und Gänge hingen, daß das Schuljahr 1914/15 ein Kriegsjahr war. Die Schüler hatten oft Mühe ihre Gedanken zu sammeln und auf die Lehrgegenstände zu richten, und auch die Lehrer konnten oft erst überdemUnterrichtenvergessen,wasbeim Eintritt ins Lehrzimmer ihr Denken gefan- gen hielt und was ihre Herzen bedrückte und erhob.42 Blinde Kriegsbegeisterung ist hier- aus nicht zu erkennen, vaterländische Gesin-
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