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NEUGESTALTUNG IN DER MITTE DES REICHES 89
als weniger vorteilhaft als zunächst erwartet399 – verfügten Sophie und Heinrich hier doch dank eines dichten Netzes von Städten wie Kassel, Melsungen, Homberg (Efze) oder Wolfhagen und wichtigen Burgen wie Gudensberg oder Felsberg über eine nicht unbedeutende Machtbasis und konnten sich auf eine Reihe ritterlicher Vasallen und Ministerialen stützen400. Möglicherweise aber auch war Nordhessen, dem sich Erzbi- schof Werner in seiner bisherigen Regierungszeit noch kaum zugewandt hatte, trotz der „Brückenfunktion zwischen Untermain/Mittelrhein und Thüringen/Eichsfeld“ 401 (Günter Christ) für den Eppsteiner gegenüber dem wirtschaftlich und politisch für das Erzstift wesentlich bedeutsameren Neckar- und Rhein-Main-Gebiet nicht von so zen- tralem Gewicht, dass er einen aufwändigen, langen Krieg auf sich genommen hätte, um Sophie und Heinrich entscheidend zu schwächen und ihnen die usurpierten Kir- chenlehen, insbesondere das Landgericht Maden, zu entwinden. Dies umso mehr, als „ein gleichzeitiges Engagement am Mittelrhein, am Untermain, in Hessen und Thü- ringen und überdies in einem Königswahlprojekt zu vielseitig war und über die Kräfte des Mainzer Erzstiftes ging“ (Alois Gerlich)402.
Insofern waren in Langsdorf der Gewinn für Sophie und Heinrich wohl deutlich höher als die Verluste für den Erzbischof. Für ihn dürften neben der dringend benö- tigten Geldzahlung403 der Zuerwerb von Grünberg und Frankenberg sowie die Aner- kennung seiner Lehenshoheit zumindest gesichtswahrende Verhandlungserfolge ge- wesen sein. Doch setzt eine fundiertere Einschätzung der Langsdorfer Verträge in ihrer Bedeutung sowohl für die brabantisch-hessische wie für die mainzische Seite eine wesentlich genauere Analyse der Herrschafts- und Kräfteverhältnisse im heutigen Nord- und Mittelhessen in den frühen 1260er Jahren und in der Folgezeit und eine noch sehr viel umfassendere Einbindung in die mainzische Politik der 1250/70er Jah- re voraus, als dies im vorliegenden Beitrag geleistet werden konnte. Auch hierfür sei, ebenso wie für die erforderliche wesentlich stärkere Berücksichtigung auch der reichs- geschichtlichen Perspektive auf die einschlägigen Beiträge dieses Bandes verwiesen404.
Für die Fragestellungen des vorliegenden Beitrags gilt es als wichtigstes Ergeb- nis der Langsdorfer Verträge festzuhalten, dass mit ihrem Abschluss der 1247 auf- gebrochene und seit 1256/61 deutlich verschärfte Konflikt um die Mainzer Lehen in
399 IlGen/VoGel, S. 345, sprechen geradezu davon, die Anhänger der Mainzer Kirche hätten „der ge- schlossenen Macht der Brabantiner in Hessen“ nicht auf Dauer energischen Widerstand leisten können.
400 Vgl. hierzu den Beitrag von Otto Volk im vorliegenden Band. Der Befund, dass der weitaus größte Teil der 1263 von Sophie aufgebotenen Bürgen aus den ober- und mittelhessischen Herrschaftsgebieten kam, verweist allerdings auf die Notwendigkeit, das personelle Umfeld Sophies und Heinrichs in Nord- hessen noch einmal umfassend zu untersuchen. Mit in die Erwägungen einzubeziehen ist auch die Tat- sache, dass bis 1267 kein Aufenthalt Sophies und Heinrichs im heutigen Niederhessen bezeugt ist – ein
Befund, der trotz immenser Überlieferungslücken dennoch Aussagekraft besitzt.
401 christ (wie Anm. 34), S. 322.
402 Gerlich (wie Anm. 114), S. 322.
403 Ein Schlaglicht auf die Schuldensituation der Mainzer Kirche in der Zeit des Langsdorfer Vertrages
wirft das Schreiben Papst Urbans IV. vom 22.11.1263, doBenecker, Regesta, Bd. 3, S. 489, Nr. 3116.
404 Vgl. insbesondere die Beiträge von Regina schäfer und Ulrich ritzerfeld im vorliegenden Band.