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des Recht. Die Nürnberger Reichsdeputation von 1650 vertrat den Standpunkt, es müßten vor allem vorhandene Eheverträge befolgt werden, sofern sie dies bezügli- che Bestimmungen enthielten. Andernfalls seien die Kinder der patria potestas un- terworfen8. Auch die Erziehung secundum sexum, das heißt, daß die Knaben in der Religion des Vaters erzogen werden, die Mädchen hingegen dem Bekenntnis der Mutter folgen sollten, war weit verbreitet. Bei der Neueinführung eines Religi- onsexerzitiums war es Sache des Landesherrn, die religiöse Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen zu regeln. Doch war es nicht erlaubt, die Kinder konfessions- gleicher Eltern zur Annahme der Landesreligion und zum Besuch der andersgläubi- gen Schule zu zwingen9. Eine einheitliche Auslegung und Anwendung des Westfä- lischen Friedensinstruments scheiterte aber immer wieder an dem grundlegenden Gegensatz, der zwischen dem Territorialsystem und dem Kirchenbegriff der Katho- liken bestand. In diesen Bestimmungen, die – obwohl rein staatsrechtlicher Natur – tief in das innere Leben der Kirche einzugreifen beanspruchten, zeigte sich der Sieg des staatlichen Absolutismus über die Kirche. Während aber die evangelischen Lan- deskirchen vermöge des landesherrlichen Summepiskopats dem fürstlichen Absolu- tismus in fast vollkommener Weise entsprachen, mußte zwischen der katholischen Kirche und der absoluten Fürstenmacht ein Konflikt entstehen, der – im Wesen der Kirche begründet – sich niemals ganz bereinigen ließ. Die Handlungsweise der Bi- schöfe von Bamberg und Würzburg im Falle der katholischen Gemeinden in Ans- bach–Bayreuth sind bezeichnende Beispiele für die konkreten Auswirkungen die- ses Gegensatzes.
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8 Moser, Religionsverfassung 71, 115
9 Moser, Landeshoheit 416, 449.