Page 25 - StadtAN Ausstellungskatalog Der Erste Weltkrieg
P. 25

auf die Dauer als zu anstrengend für seine Stimme. Im ganzen Jahr 1915 kam er auf 31 Transporte, bei denen jedoch nur ein einziger Todesfall zu beklagen war.
Über seine seelsorgerlichen Erfahrungen schrieb Boeckh (Seite 10 und 11): Anknüp- fend an die sich zunächst ergebenden Fra- gen suchte ich solche Schwerverwundete in die Tiefe zu führen: das fast immer vor- handene Gefühl des Dankes für Erret- tung in das Bewußtsein überzuleiten: mir ist Gnade widerfahren, die ich einzig und allein Christo zu danken habe. Oft geschah dies in der Gegenüberstellung dessen, wie militäri- scherseits schon kleinster Ungehorsam streng geahndet wird – wie, wenn Gott auch sol- chen oder gar strengeren Maßstab aufstellt? –[,] oft unter Benützung der Bildersprache des Krieges, oft mit der Frage: weißt du auch, wozu du Christum nötig hast, und was uns im Grunde von Israeliten, ja Mohammedanern
unterscheidet. [...] Auch daß man sich auf der Fahrt in die Heimat befand, gab dem Seelsor- ger manchen Anknüpfungspunkt. Etwa reihte ich die Mahnung an, sie, die wieder göttliches Leben gewonnen haben, hätten nun auch die Pflicht, in Friedenszeiten daheim christliche Hausordnung einzuführen und Salz und Licht ihrer Umgebung zu sein. [...] Selbstverständ- lich hütete ich mich, ein ernstes Gespräch da zu erzwingen, wo Ablehnung zu erwarten war, und glaubte, mit Besprechung äußerlicher Dinge oder Hören auf des Patienten Erzäh- len – es war ihnen manchmal ein Bedürfnis, sich über ihre Erlebnisse aussprechen zu kön- nen – mehr zu erreichen, als wenn ich ihnen Gedanken aufgedrängt hätte, zu deren Auf- nahme sie innerlich nicht reif waren. Sie soll- ten in diesen Fällen im Geistlichen wenigstens den Menschen schätzen lernen, der ihnen teil- nehmend begegnet, und Vertrauen zum Ver- treter der Kirche gewinnen.
Deutscher Verwundeten- Bahntransport in Frank- reich, Foto, vermutlich Juni 1917.
(StadtAN E 10/138 Nr. 2/20)
19


































































































   23   24   25   26   27