Page 26 - Brandmüller_Kardinal_Reprint
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1. A B S C H N I T T
DIE BILDUNG KAtHOLIScHER mINDERHEItEN
1. K A p I t E L
DAS KONFESSIONSREcHt DES wEStFäLIScHEN FRIEDENS
Die vielen und komplizierten Rechtsfragen, die sich aus dem Zusammenleben der drei im Reich „rezipierten Konfessionen“ ergaben, wurden seit dem Westfälischen Friedensschluß nach den Bestimmungen des Instrumentum Pacis Osnabrugense (= IPO) behandelt1. Auch die Wiedereinführung katholischer Religionsübung in den Fürstentümern Ansbach und Bayreuth mußte sich im Rahmen des Westfälischen Friedens abspielen. Dieser bietet darum für die historische Beurteilung jener konfes- sionellen Auseinandersetzungen den zunächst gültigen Maßstab.
Die eine wesentliche Bestimmung des IPO war die Wahl des Jahres 1624 zum „annus normalis“ oder „decretorius“. So, wie der Besitzstand der Konfessionen am ersten Tag dieses Jahres war, wurde er reichsrechtlich bis zur erhofften endgülti- gen Regelung der Religionsfragen garantiert2. Der andere bedeutsame Grundsatz war, daß jedermann im Reiche sich zwar nicht der freien Ausübung seiner Religi- on, wohl aber der Gewissensfreiheit erfreuen sollte. Diese bestand darin, daß je- der, ohne daran gehindert werden zu dürfen, sich zu einer der drei im Reich rezi- pierten Konfessionen bekennen konnte „und einer solchen Person nichts wider die Grundsätze ihrer Religion zugemuthet werden darff“3. Die äußere Religionsübung bestimmte der Landesherr, dem das ius reformandi als ein Ausfluß bzw. Annexum seiner Landeshoheit zustand. Aufgrund dessen beanspruchte der Landesherr auch die geistliche Hoheit über die Angehörigen einer anderen Konfession, die er in sei- nem Territorium duldete. War der Landesherr nun Protestant, so ergab sich bezüg- lich der hierarchischen Zugehörigkeit seiner katholischen Untertanen ein ernster Konflikt, da durch das IPO jede geistliche Jurisdiktion der Bischöfe nicht nur über die protestantischen, sondern auch über die katholischen Untertanen eines prote- stantischen Landesherrn suspendiert war. Die geistliche Gewalt eines Bischofs hat- te demnach nach dem Reichsrecht im Hinblick auf die Länder evangelischer Reichs-
In der Hauptsache kam der Artikel 5 des IPO in Frage (Text bei Zeumer K., Quellensammlung zur Ge- schichte der deutschen Reichsverfassung in MA und Neuzeit, Tübingen 19132 395 ff).
Moser, Landeshoheit 532 ff.
Moser, Religionsverfassung 36 ff.
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