Page 3 - StadtAN Ausstellungskatalog Der Erste Weltkrieg
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Wolfgang Dippert
Der Krieg und die Schulen
Schon kurz nach Beginn des Ersten Welt- kriegs, Anfang August 1914, verfügte das bayerische Ministerium für Kirchen und Schulangelegenheiten unter anderem: Volks- schullehrer sind auch dann nicht daran zu hindern, sich freiwillig zum Kriegsdienst zu melden, wenn sie als unabkömmlich einge- stuft sind. Bereits zu diesem frühen Zeit- punkt wird somit deutlich erkennbar, dass das Schulwesen hinter den Erfordernissen des Kriegs zurückzustehen hatte. In einer wei- teren frühen kriegsbedingten Ministerialent- schließung, die sich auf die Schulen bezieht – sie wurde am 9. Oktober 1914 erlassen – ist zu lesen: In den oberen Jahrgängen der Volk- shauptschule und in der Fortbildungsschule wird der Lehrer die wichtigsten Ereignisse des in der Weltgeschichte einzig dastehenden Kampfes, den unser Volk um Erhaltung seiner Kultur und Macht zu führen hat, in geeigneter Weise auf die Jugend wirken lassen.2 Damit wurde ferner klargestellt, dass das Schulwe- sen nicht nur unter der Kriegsführung mit Einschränkungen zur rechnen hatte, sondern dass ihm auch eine aktive Rolle zugewiesen wurde. Immerhin aber enthält die zitierte Ent- schließung auch folgenden Satz: Die deutsche Jugend soll, ohne zu Haß und Feindschaft gegen die Gegner aufgestachelt zu werden, an den ruhmreichen Taten des deutschen Vol- kes sich erheben und erbauen.3
Mögen am Anfang die Beschränkungen und Anforderungen zumeist noch einigerma- ßen zu bewältigen gewesen sein, so erfuh- ren sie im Verlauf des Kriegs immer weitere Verschärfungen, wobei nicht alle Schulen
gleichermaßen betroffen waren. Dies gilt ins- besondere hinsichtlich der Schularten. Auch wenn die Quellenlage bei den Volkshaupt- schulen – sie entsprechen heute am ehesten den Hauptschulen – und den Volksfortbil- dungsschulen – heute in etwa vergleichbar mit den Berufsschulen – nicht so günstig ist, scheinen die weiterführenden Schulen in mancherlei Hinsicht bevorzugt gewesen zu sein.4 Dies mag nicht allein im höheren Sozi- alprestige der letzteren begründet sein, son- dern auch darin, dass von dort ein Teil des zukünftigen Offiziersnachwuchses kam.5 Dagegen scheinen die Probleme und Aufga- ben der Schulen in Nürnberg, Fürth, Erlangen und Schwabach einigermaßen vergleichbar zu sein, auch wenn die Städte sich in ihrer Größe deutlich unterscheiden. Hier mögen die industrielle und urbane Struktur in allen vier Städten sowie deren geografische Nähe zueinander eine Rolle gespielt haben.
Schon von Beginn des Kriegs an ergaben sich für die Schulen große Schwierigkei- ten aus dem Umstand, dass viele Lehrer sich freiwillig zum Militär gemeldet hatten oder als Reservisten eingezogen wurden. Oft war aber zunächst eine Kompensation möglich, zum Beispiel durch die Verteilung der Unter- richtsstunden auf die verbliebenen Lehrer oder durch Stunden- und Klassenzusammen- legungen. Hier hatten die Schulen offenbar eine gewisse organisatorische Freiheit. Diese dürfte jedoch in den meisten Schulen zu Qua- litätseinbußen im Unterricht geführt haben, zum Beispiel weil bis zu 50 Schülerinnen und Schüler in einer Klasse unterrichtet werden mussten, wie dies schon 1914/15 bei der drit- ten Klasse der Städtischen Handelsschule für Mädchen in Fürth der Fall war.6 In der Erlan- ger Realschule konnte im Schuljahr 1917/18 kein Unterricht in Handelskunde mehr gege- ben werden, nachdem schon im Schuljahr zuvor die Hälfte der Stammlehrerschaft Kriegsdienst leistete und es kaum mehr Ersatz gab7 – für eine Realschule eine durchaus sub-
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