Page 22 - StadtAN Ausstellungskatalog Der Erste Weltkrieg
P. 22

für die Betroffenen eine Degradierung dar. Erst allmählich besserte sich ihre Situation im Hinblick auf Status und Finanzen. 1916 erhielten sie den Titel „Lazarettgeistliche“, um im letzten Kriegsjahr zu „überetatmä- ßigen Feldgeistlichen“ aufzusteigen. Paral- lel dazu bildete sich eine feste Organisation der Feldgeistlichen heraus, so dass die Divisi- onspfarrer zu Vorgesetzten ihrer Amtsbrüder avancierten. Teilweise kam es auch zu Unter- stellungen unter die preußischen oder sächsi- schen Armee-Oberpfarrer. An der Spitze des bayerischen Militärkirchenwesens stand aber nach wie vor das Oberkonsistorium in Mün- chen mit seinem Präsidenten Hermann von Bezzel (1861–1917). Nach dessen Tod folgte ihm in diesem Amt im Juni 1917 Friedrich Veit (1861–1948).
Aufgaben der Militärgeistlichen
Wie im zivilen Bereich gruppierten sich auch bei den Militärpfarrern die Hauptaufga- ben um die Bereiche Gottesdienst und Seel- sorge. Dabei waren verschiedene Zielgruppen zu unterscheiden: an der Front kämpfende Truppen, frontnahe Hauptverbandsplätze und Lazarette einerseits, im rückwärtigen Bereich, der Etappe, dienende Einheiten und die dort befindlichen Lazarette andererseits. Gottesdienste für die Fronttruppen waren grundsätzlich von der militärischen Lage abhängig und fanden daher in unregelmä- ßigen Abständen statt. Einheiten, die nicht abgelöst wurden, hatten oft über mehrere Monate keine Möglichkeit einer Teilnahme. Anfangs war jedoch, analog zur Stimmung in der Heimat, der Besuch der Gottesdienste sehr stark, deutlich höher als in der Vorkriegs- zeit. Vor Kampfeinsätzen nahmen viele sogar am Abendmahl teil. Später ging auch an der Front die Begeisterung zurück, schließlich fiel sie deutlich unter das Vorkriegsniveau. Gottesdienste in der Etappe hingegen fan-
den im Allgemeinen regelmäßig statt, waren aber weniger stark besucht. Oft hing es vom guten Willen der örtlichen Kommandanten ab, ob sie die Ankündigungen bekannt mach- ten oder ihre Truppen freistellten.
Eine weitere Besonderheit für die bayerischen Soldaten – im Unterschied etwa zu den Preu- ßen – bestand darin, dass für sie der Besuch der Gottesdienste grundsätzlich freiwillig war und daher keine Einheiten komplett zum Gottesdienst geschickt wurden. Trotzdem war ihre Kirchlichkeit, ähnlich wie bei den Würt- tembergern, höher. Als Lokal für die Gottes- dienste dienten in den besetzten Gebieten an der Westfront nur zum geringen Teil Kirchen, sondern alle Arten von Gebäuden oder Unter- ständen, die gerade zur Verfügung standen, oder auch Wald. Gottesdienste unter freiem Himmel fanden dagegen nur in der Anfangs- zeit statt. Nach wenigen Monaten musste wegen der zunehmenden Gefahr durch feind- liche Flieger davon Abstand genommen wer- den. An der Ostfront spielte letztere jedoch kaum eine Rolle.
Zu den Gottesdiensten gehörten auch die Beerdigungen gefallener Soldaten. Diese geschahen teilweise in aller Eile noch auf dem Schlachtfeld. Der Regelfall war jedoch die feierliche Amtshandlung auf einem Sol- datenfriedhof, die meist auf Initiative von Geistlichen angelegt wurden. An dieser nahm in der Regel die gesamte Kompanie teil. Daher wurde sie von den Pfarrern als Mög- lichkeit angesehen, die Soldaten in besonde- rer Weise anzusprechen. Zum Teil führten sie auch Korrespondenz mit den Angehörigen in der Heimat, vor allem wenn sie die Verstorbe- nen zuvor schon seelsorgerlich betreut hatten. Eine wichtige Aufgabe, fast ein Monopol, hatten die Geistlichen auch in der Vertei- lung von Schriften aller Art. Hierin spiegelt sich ein letzter Rest ihrer Stellung als staat- licher Beamter. Sie konnten sich daher kei- neswegs auf die Verbreitung von religiösem Schrifttum beschränken, sondern mussten
16


































































































   20   21   22   23   24