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84 MATTHIAS WERNER
den, dann werden die Kontraste zu diesem Schweigen in aller Deutlichkeit sichtbar371. Als umso größerer Glücksfall muß es gelten, dass, im Unterschied zu anderen zent- ralen Verträgen der Jahre 1247/64 wie etwa der Vereinbarung Sophies und Heinrichs des Erlauchten von 1250 oder dem hessisch-wettinischen Frieden von 1264/65, die Vertragsurkunden – jedenfalls die von Sophie und Heinrich ausgestellten Ausfertigun- gen – nicht nur im Wortlaut, sondern zum größten Teil sogar im Original erhalten ge- blieben sind372.
2. Die Verträge
Das Vertragswerk, das den in Langsdorf ausgehandelten Vergleich (compositio) festhielt, setzte sich nach den erhaltenen Dokumenten aus vier inhaltlich eng aufeinander bezo- genen Einzelurkunden zusammen, die sämtlich von Sophie und ihrem Sohn Heinrich ausgestellt und dem Mainzer Erzbischof ausgehändigt wurden373. Die „Haupturkun- de“ (LU 3) führt die neun Punkte des Vergleichs auf, darunter neben Vereinbarungen über die Burg Mellnau, die Vogtei Wetter, die Nutzungsrechte und Jagd im Burgwald und die Gastungsrechte in Wetter und den Dörfern der Vogtei Wetter374 – als Genug- tuung für zugefügte Schädigungen der Mainzer Kirche – die Zusicherung Sophies und Heinrichs, dass im Falle ihres und Heinrichs Gemahlin Adelheids kinderlosem Tod die Burgen und Städte Grünberg und Frankenberg an die Mainzer Kirche heimfal- len würden375, ihre Zusage der Zahlung von 2000 Mark an den Erzbischof und ihre Feststellung, daß wir von ihr [sc. der Mainzer Kirche] die Lehen empfangen haben, die unsere
371 Doch ist dieser Befund nur auf den ersten Blick überraschend. Auch der so bedeutsame Weißenfelser Vertrag von 1249, vgl. oben S. 16 mit Anm. 40, wurde, wie teBruck, Pacem confirmare (wie Anm. 7), S. 288, es als erstaunlich konstatiert, von der „gesamten erzählenden Überlieferung der Zeit“ mit Schwei- gen übergangen; dies gilt ebenso auch für den Udestedter Vertrag von 1254. Beides erscheint umso be- merkenswerter, als in dieser Zeit in Thüringen eine lebendige Geschichtsschreibung existierte und es sich um zentrale thüringische Ereignisse handelte. Umso weniger verwundert es, dass die Langsdorfer Verträge nicht in das Blickfeld der zeitgenössischen Historiographie gerieten. Hierfür wäre zu dieser Zeit fast allein die thüringische Gechichtsschreibung in Frage gekommen, da eine hessische Chronistik, die über diese Vorgänge hätte berichten können, damals noch nicht existierte und deutlicher erst im 15. Jahrhundert einsetzte. Aber auch aus dem erzbischöflichen Umfeld liegen aus dieser Zeit keinerlei his- toriographische Zeugnisse vor. Für die ansonsten reichere Geschichtsschreibung des Mittelrheingebiets waren die Langsdorfer Verträge zweifellos zu peripher, als dass sie in ihr Blickfeld und in ihr Berichtsin- teresse geraten wären.
372 Die Überlieferung, die äußere und innere Gestalt der Langsdorfer Verträge, ihr Inhalt, ihre Funktion, ihre Formen der Konfliktregelung, ihr Schauplatz, ihre Beteiligten, ihre Wirkung und ihr Nachleben werden in dem vorliegenden Band in einer Reihe von Beiträgen detailliert behandelt. Im folgenden sind lediglich die für unsere Fragestellungen wichtigen Aspekte kurz anzusprechen.
373 Vgl. hierzu den Beitrag von Francesco roBerG und dessen Edition im vorliegenden Band.
374 Zu diesen sehr detailliert ausgeführten Regelungen vgl. den Beitrag von Steffen krieB im vorliegenden
Band.
375 Die komplizierte Regelung wird in LU 4 näher ausgeführt, dazu unten S. 88 f.