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Nürnberg in den 1970er Jahren – Fotografische Impressionen der Stadt
Das Jahrzehnt zwischen 1970 und 1980 war ganz allgemein eine Zeit großer struktureller und gesellschaftlicher Veränderungen, deren Nachwirkungen zum Teil bis heute spürbar sind. Für Nürnberg von Bedeutung war der sukzessive Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Die Weiterführung der U-Bahn durch das Stadtzentrum ließ die südliche Altstadt bis 1978 als eine einzige große Baustelle erscheinen. Die anschließende Verlängerung der U-Bahn-Trasse bis nach Fürth führte zur Modernisierung der Verkehrsdrehscheibe Plärrer (1977), die ihr Aussehen merklich veränderte. Gleichzeitig wurde die Lorenzer Altstadt zu weiten Teilen zur Fußgängerzone und damit zu einem Ort der Kommunikation und Identifikation umgestaltet. Aber nicht nur im Herzen Nürnbergs wurden verkehrsberuhigte Bereiche geschaffen, auch in der Südstadt um den Aufseßplatz entstand eine Fußgängerzone. Weitere infrastrukturelle Maßnahmen waren der Bau des Staatshafens (1972), die Verlegung der Messe vom Stadtpark nach Langwasser (1973) und die Erweiterungen des Flughafens (1971 neuer Luftfracht-Terminal und 1975 neue Ankunftshalle). Um dem gewachsenen Freizeitbedürfnis der Bevölkerung Rechnung zu tragen, entstanden mehrere Hallen- und Freibäder und im östlichen Pegnitztal der Wöhrder See (1968–1972 Unterer Wöhrder See, 1972–1975 Sandfang oberhalb des Wöhrder Sees und bis 1981 Fertigstellung des Oberen Wöhrder Sees). Gleichzeitig mit der Anlage des Sees wurde an der südlichen Uferseite ein hochmoderner Wohnkomplex errichtet, der „Norikus“.
Die 1970er Jahre stehen auch für den Wandel auf kulturellem Gebiet. In Nürnberg startete das neue Jahrzehnt mit einer Großveranstaltung, die dem städtischen Kulturleben wesentliche Impulse gab: 1971 wurde der 500. Geburtstag von Albrecht Dürer gefeiert. Geradezu bahnbrechend waren in jenem Jahr die Veranstaltung der Kunstbiennale und die Ausrichtung des Symposium Urbanum, das erstmals die Entstehung von Kunst im öffentlichen Raum präsentierte. Museale Einrichtungen wie das Spielzeugmuseum (1971), die Graphische Sammlung (1971) und das Centrum Industriekultur (1979) – heute Bestandteil der Museen der Stadt Nürnberg – sind Gründungen jener Jahre. Die 1970er sind auch das Jahrzehnt der Kinder- und Jugendkultur: Für Jugendliche richtete man im ehemaligen Künstlerhaus gegenüber dem Frauentorturm das unter der Kurzbezeichnung „Komm“ bekannte Jugend- und Kommunikationszentrum ein (1973), das unter der Selbstverwaltung seiner Nutzerkreise stand. Impulsgeber und Vordenker war Hermann Glaser, der von 1964 bis 1991 das Schul- und Kulturreferat leitete. Er entwickelte das Konzept der Soziokultur, die allen gesellschaftlichen Schichten, Altersgruppen und Nationalitäten den Zugang zu Kunst und Kultur ermöglichen sollte. Ein erster konkreter Schritt war die Einrichtung des Kulturladens in der Rothenburger Straße (1975), dem bald weitere folgten.
Einen Einblick in diese Zeit vermitteln die Aufnahmen der Bildstelle des Hochbauamts, die 1993 vom Stadtarchiv Nürnberg übernommen wurden. Hauptaufgabe der seit den späten 1890er Jahren der städtischen Bauverwaltung zugeordneten Fotografen war die Dokumentation kommunaler Neubauten und der historischen Bausubstanz, teilweise auch von städtischen Veranstaltungen. Nachdem die zuvor für die Nürnberger Nachrichten tätige Pressefotografin Gertrud Gerardi (1914–2002) im Jahr 1967 die Leitung der Bildstelle übernommen hatte, änderte sich die Akzentuierung der Aufnahmen, die nun verstärkt das sich auf den Straßen und Plätzen abspielende Alltagsleben in den Blick nahmen. Auch die Farbfotografie hielt in höherem Maße Einzug. Mit den Farbdias wollte man vor allem Printmedien und Werbung mit Bildvorlagen bedienen, die Schwarz-Weiß-Aufnahmen waren zur Archivierung vorgesehen. Während der Sammlungsbestand „A 55 – Farbdias Hochbauamt“ etwa 20.000 Aufnahmen umfasst, zählen die Bestände „A 39 – Roll- und Planfilmnegative“ rund 92.000 Aufnahmen und „A 40 – Kleinbildaufnahmen“ 252.000 Negative.
Deckblatt
Blick vom Spittlertorturm auf die Ludwigstraße, Foto Hochbauamt, März 1972 (StadtAN A 55 Nr. I-25-1-4)
Der Spittlertorturm ermöglicht einen von der Burg bis zur Lorenzkirche reichenden Blick über die Altstadt. Aus dem Häusermeer ragen deutlich die runde Kuppel der Elisabethkirche, daneben der Weiße Turm, Rest der vorletzten Stadtummauerung, und die mittelalterliche Jakobskirche heraus. Die Ludwigstraße, die unterhalb des Stadtmauerturms endet, hieß bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch Schmiedgasse beziehungsweise Schmidtgasse. Ihren neuen Namen erhielt sie 1809 zu Ehren des damaligen Kronprinzen und späteren Königs Ludwig I. von Bayern (1786–1868). Zur Zeit der Aufnahme wurde die Straße von Straßenbahnen und Autos befahren.
Januar
Winterstimmung am Frauentorgraben, Foto Hochbauamt, 1973 (StadtAN A 54 Nr. LV-540E-19)
Seit dem 19. Jahrhundert wird der Bereich entlang der Stadtmauer vielseitig genutzt. Im Stadtgraben wurden Gärten angelegt und freie Flächen als Spiel- und Sportplätze genutzt. Bis heute kann man entlang des Altstadtmauerrings flanieren und spazieren gehen, sogar in schneereichen Wintermonaten, wie auf dieser Aufnahme zu sehen ist.
Februar
In Langwasser-Süd, Foto Hochbauamt: Hans Kammler, 1975 (StadtAN A 40 Nr. L-1925-9)
Das Bild von Langwasser war bis in die 1970er Jahre hinein von Hochhausbauten mit Rasterfassaden geprägt, erst ab Beginn der 1980er Jahre änderte sich der Eindruck mit dem Bauabschnitt „Paula“, dem ersten autofreien Wohngebiet in der Bundesrepublik. Auf dem Bild sieht man die Türme der evangelischen Paul-Gerhardt-Kirche in der Glogauer Straße.
März
Der Plärrer vor dem Umbau, Foto Hochbauamt, 1977 (StadtAN A 40 Nr. L-2274-16)
Markanter Mittelpunkt der Verkehrsdrehscheibe war bis zu ihrem Umbau der 1932 errichtete Plärrer-Automat, eine Wartehalle mit integriertem Imbissraum und einem „stummen“ Postamt, bestehend aus Telefonzellen und Verkaufsautomaten für Briefmarken. 1977 begann sich das Aussehen des Platzes vor dem Spittlertor durch den Bau der U-Bahn zu verändern.
April
Die 2. Biennale der Kunst in Nürnberg, Foto Hochbauamt, 1971 (StadtAN A 55 Nr. IV-2-1-9)
Zweimal, 1969 und 1971, wurde in Nürnberg eine Kunstbiennale veranstaltet. Die Ausstellungen orientierten sich an internationalen Formaten wie der documenta in Kassel und der Biennale in Venedig. Während der 2. Biennale fungierte der Zwingerbereich beim Marientor als Skulpturenpark. Heute befindet sich dort ein großer Biergarten.
Mai
Im Burggarten, Foto Hochbauamt: Gertrud Gerardi, 1970 (StadtAN A 40 Nr. L-1021-23a)
Idyllisches Kleinod und versteckter Ruhepol in der Altstadt sind die Grünanlagen auf der Bastei hinter dem Tiergärtnertor. Man betritt sie heute über zwei Eingänge beim Fünfeckturm und am westlichen Ende der Straße Am Ölberg. Die zwischen 1538 und 1545 entstandene Basteianlage stammt von dem Malteser Antonio Fazuni. Vom Garten aus sieht man den Neutorturm.
Juni
Die Fußgängerzone in der Breiten Gasse, Foto Hochbauamt: Gertrud Gerardi, 1971 (StadtAN A 40 Nr. L-1150-50)
Nürnberg gehörte zu den ersten Städten in der Bundesrepublik, die eine Einkaufsstraße in eine reine Fußgängerzone umwandelten. Diese Straße war die Breite Gasse, die von der Pfannenschmiedsgasse zum Weißen Turm führt. Während damals kleine Läden und Geschäfte die Breite Gasse dominierten, so sind es heute internationale Ladenketten, wie sie sich überall in deutschen Innenstädten befinden.
Juli
Nächtliche Stimmung am Albrecht-Dürer-Platz, Foto Hochbauamt, Juli 1971 (StadtAN E 52 Nr. 195)
Lässiges Zusammensitzen in der Öffentlichkeit wurde in den 1970er Jahren zum Kennzeichen der Jugendbewegung. Ein bei der Nürnberger Jugend beliebter Treffpunkt war in den Abendstunden der Tiergärtnertorplatz. Anlässlich des Dürerjahrs hatte man die Platzanlage zwischen Tiergärtnertor, Pilatushaus und Dürerhaus, die zuvor noch großflächig als Parkplatz genutzt wurde, herausgeputzt.
August
Sommervergnügen am Wöhrder See, Foto Hochbauamt, 1977 (StadtAN A 55 Nr. IV-28-70-7)
Der Wöhrder See, eine inzwischen 52 Hektar große Wasserfläche, liegt im Osten vor der Altstadt und zählt neben dem Stadtpark und dem Marienberg zu den in der Außenstadt liegenden Naherholungszielen. Namengebend war die unmittelbar am See liegende Vorstadt Wöhrd. Am Südufer liegt das damals zukunftsweisende Bauprojekt „Norikus“ mit seinen insgesamt 800 auf bis zu 22 Etagen verteilten Wohnungen. Es war von dem Architekten Harald Loebermann als moderner Gegenpol zur historischen Burgsilhouette errichtet worden.
September
Eröffnung des Staatshafens, Foto Hochbauamt, September 1972 (StadtAN A 55 Nr. IV-31-17-3)
Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde im September 1972 der im Süden der Stadt gelegene Staatshafen eröffnet. Als Verkehrs-, Umschlags-, Lager- und Speditionsanlage konzipiert, war und ist er für die Verkehrsentwicklung Nürnbergs von großer Bedeutung und zählt heute zu den bedeutendsten Gewerbestandorten in Nordbayern.
Oktober
Am Hauptmarkt, Foto Hochbauamt: Hans Kammler, 1975 (StadtAN A 40 Nr. L-1981-72)
Marktstand auf dem Hauptmarkt, auf dem damals noch überwiegend Gemüse und Obst aus der Hand von Bäuerinnen des Nürnberger Umlands verkauft wurden. Seit 1349 können hier die Lebensmittel für den täglichen Bedarf eingekauft werden. Im Hintergrund die Frauenkirche, deren Wiederherstellung nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg bereits 1955 abgeschlossen war.
November
Das Südbad, Foto Hochbauamt, 1970 (StadtAN A 55 Nr. IV-5-12-2)
Der Volksmund bezeichnete das Südbad an der Allersberger Straße als „Schwimmoper“. Das weiträumige Hallenbad verfügte an einer Seite über Zuschauertribünen. Die Eröffnung einer ganzen Reihe von Hallen- und Freibädern in den 1970er Jahren verweisen auf das gesteigerte Freizeitbedürfnis der Bevölkerung. Nachdem bereits 1966 das Westbad in Betrieb genommen wurde, folgten 1970 das Südbad, 1974 das Hallenbad Katzwang, 1974/75 das Hallenfreibad Langwasser und 1978 das Nordostbad. Typisch für die Zeit ist die Aufnahme mit dem Fischaugenobjektiv.
Dezember
Vorweihnachtszeit an der Fleischbrücke, Foto Hochbauamt, 1973 (StadtAN A 54 Nr. LV-540E-65)
Nürnbergs bedeutendste Brücke über die Pegnitz ist die Fleischbrücke. Von der Rialtobrücke in Venedig angeregt, wurde sie 1596–1598 erbaut. Ihre Anlage ist auf Stadtbaumeister Wolf Jakob Stromer zurückzuführen (1561–1614), die Ausführung lag in den Händen der Zimmermeister Mathes Herdegen und Peter Carl (1541– 1617) sowie von Baumeister Jakob Wolf dem Älteren (um 1546–1612). Im Gegensatz zum berühmten Vorbild war die einbogige Fleischbrücke nicht nur Fußgängern zugänglich, sondern musste auch befahrbar sein. Links und rechts am Bildrand sind die nach dem Zweiten Weltkrieg neu erbauten Häuserzeilen zu sehen, die über Fußgänger-Passagen entlang des Flussufers verfügen; im Hintergrund ist die Schaufassade des Heilig-Geist-Spitals erkennbar.
Impressum:
Herausgeber: VERLAG PH. C. W. SCHMIDT, 91413 Neustadt an der Aisch Fotonachweis: Stadtarchiv Nürnberg
Bildauswahl: Ruth Bach-Damaskinos, Thomas Dütsch, Stadtarchiv Nürnberg Texte: Ruth Bach-Damaskinos, Stadtarchiv Nürnberg
Layout: Markus Wirth, VERLAGSDRUCKEREI SCHMIDT
1. Auflage 2015
© 2015 VERLAG PH. C. W. SCHMIDT, Neustadt an der Aisch
Alle Rechte vorbehalten
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Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags und des Verfassers
ist es nicht gestattet, diesen Kalender oder Teile daraus auf fotomechanischem
oder elektronischem Weg zu vervielfältigen.
ISBN: 978-3-87707-955-3
Gesamtherstellung: VDS  VERLAGSDRUCKEREI SCHMIDT, 91413 Neustadt an der Aisch Printed in Germany
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08.05.15 09:00


































































































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