Page 35 - StadtAN Ausstellungskatalog Der Erste Weltkrieg
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„Weihnachtsgruß“ für deut- sche Kriegsgefangene im Ausland, Nürnberg 1917. (LAELKB 4° 9595/7)
herrlichen Inhalt, den die Heimat uns zuge- dacht hat. An der Erdwand sind die Fichten- zweiglein von der Heimat mit den schönen Weihnachtssprüchen und manchem Flitter- gold angeheftet, damit es halt recht deutsch und gemütlich werden soll.
Wie Burkert Heiligabend und Weihnacht erlebte, schildert er im Brief vom 25. Dezem- ber: Abends putzten wir mit Schokoladesilber und gelben Häfter [?] und farbigen Bändern und Patronenhülsen ein kleines Christbäum- chen. Fast jede Gruppe hatte eines. Ich stand bei wundervollem Sternenhimmel Posten von 8–10 Uhr abends, von 12–2 Uhr nachts, 4–6 Uhr in der Morgenfrühe, dann gleich wieder von 7–8 Uhr. Es war eine herrliche Nacht. In den Pausen kam ein Freund zu mir (Gustav Sondermann) und wir betrachteten in unse- rem Erdloch unter dem Schein einer Kerze die einzigartigen Bilder, die Rudolf Schäfer zu den Evangelien gemacht hat. [...] Heute 12 Uhr wieder ein besonderes Erlebnis! Unsere Leute sind ganz in Weihnachtsstimmung. Ich war rechter Flügelmann meiner Kompanie. An mich stößt der linke Flügel der 11. Kom- panie an. Diese Kompanie warf einen Zet- tel an einem Stein hinüber zu den Franzosen des Inhalts, daß wegen Weihnachten eine Zeit- lang nicht geschossen wird. Und da geschah das Unglaubliche: alle Leute setzten sich hin- auf auf den Rand des Schützengrabens, ich auch. Und da konnten wir ganz deutlich hin- überschauen. Die Franzosen waren zuerst etwas mißtrauisch. Doch allmählich erschie- nen die Käppis und schließlich die ganzen Soldaten. Da liefen zwei von uns hinüber; der eine brachte ihnen eine Flasche Schnaps, der andere Zigarren und Zigaretten. Auch wur- den einige Zettel ausgetauscht. Die Franzosen waren sehr vorsichtig, doch winkten sie recht dankbar, besonders dankbar für die Zigaret- ten[,] zu uns herüber. Einer ging sogar einem von uns ein Stück entgegen und empfing die Zigaretten. So weit man den Schützengraben nach links und rechts überschauen konnte: überall waren die Soldaten aus ihren Gräben gekommen. Welches Bild! Da warf ein Leut- nant von uns einen Zettel hinüber, daß in 10 Minuten wieder Schluß der Vorstellung sei. Alles verschwand wieder in der Erde und – die Schießerei begann nach einiger Zeit wieder.
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